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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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fühlten sich dann gleich besser. Wie er selbst zum Beispiel. Pestallozzi sah die Klosterschwester Annunziata an. »Kommen Sie zurecht?«
    Sie nickte nur und öffnete das Tor, von dem der Winter gerade die allerletzten Reste vom kornblumenblauen Lack knabberte. Leo schniefte ganz jämmerlich in seinem Rücken, nie hatte er ein Taschentuch dabei.
    »Wo finden wir diesen Parkplatz«, fragte Pestallozzi. »Auf dem …«
    »Sie müssen nur stadtauswärts Richtung Grenze fahren, dann kommt gleich rechts die Shopping City. Unübersehbar. Aber Sie werden natürlich keine Spuren oder Zeugen mehr finden.«
    »Das ist mir klar. Ich will mir auch nur ein Bild machen.«
    »Na dann.« Sogar Schwester Annunziata schien jetzt die Kälte zu spüren. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und verbarg ihre blauroten Finger in den Achselhöhlen. Aber vielleicht wollte sie ja auch nur einen Händedruck vermeiden, er war noch immer völlig unsicher, was der Knigge für den Umgang mit Ordensfrauen vorsah. »Nochmals vielen Dank für die Zeit, die Sie sich genommen haben«, sagte Pestallozzi. Er verneigte sich, Schwester Annunziata nickte nur und hatte sich offenbar dagegen entschieden, ihnen ein Kreuzzeichen oder einen segensreichen Spruch mit auf den Weg zu geben. Das Tor schloss sich hinter ihnen, und sie stapften zum Wagen zurück. An der ersten Ecke nach der Kirche blieb Leo plötzlich stehen. »Tut mir echt leid, Chef, ehrlich. Aber ich muss noch einmal zurück, ganz kurz nur, bin gleich wieder da.« Und er flitzte davon, Pestallozzi sah ihm kopfschüttelnd nach. Dieser Leo, manches Mal war er so ein schusseliger Tollpatsch! Was er jetzt wohl wieder vergessen hatte? Oder musste er aufs Klo? Na ja, Schwester Annunziata würde sich bestimmt sehr freuen, wenn sie noch einmal belästigt wurde, ihr säuerliches Gesicht war für den Leo wohl Strafe genug. Jetzt kam er auch schon wieder angerannt, eingehüllt in Atemwölkchen, die Hände in den Manteltaschen vergraben. »’tschuldigung!«
    »Schon gut«, brummte Pestallozzi.
    Der Skoda stand noch immer da, zum Glück ohne Strafmandat an der Windschutzscheibe und ohne Parkkrallen an den Reifen. Leo war wieder ganz der Alte und winkte ausgelassen zu dem Fenster mit der Spitzengardine, Pestallozzi ließ sich schwer auf den Beifahrersitz fallen und blickte auf seine Armbanduhr. In einer halben Stunde hatten sie einen Termin bei den Kollegen von der örtlichen Polizei mit einer Dolmetscherin, die eigens angefordert worden war. Und zu diesem Parkplatz wollte er auch noch. Und ein bisschen herumstrolchen, einfach so, und sich diese kleine Stadt anschauen, die eine Etappe gewesen war auf der langen Reise von Agota Lakatos aus dem kalten Siebenbürgen bis ins punschdampfende, goldfunkelnde Salzkammergut. Wo jemand ihrem Leben, ihrem Atmen, ihrem Zorn und vielleicht auch ihren Ansätzen von Hoffnung ein Ende gesetzt hatte.
    »Fahr los«, sagte Pestallozzi. Leo wusste nicht so recht, wohin. Aber er gab Gas, dass der Motor aufheulte und die wenigen Menschen auf der Fußgängerzone ihnen nachblickten.

    *

    Es war so kalt, dass er kaum die Ziffern auf der Tastatur vom Bankomat antippen konnte, so steifgefroren waren seine Finger. Der eisige Wind blies unaufhörlich, dabei waren es noch fast zwei Wochen bis Weihnachten, die wirklich kalten Tage würden erst anbrechen, nach Neujahr, im Jänner und im Februar. Er steckte die Scheine ein, 300 Euro, Peanuts. Aber dem Oslip hatte er schon zweimal 15.000 auf ein Konto in Liechtenstein überweisen müssen. Und was soll ich draufschreiben, hatte er gefragt, er, der immer so korrekt und übervorsichtig war. Schreibst halt Spesen, hatte der Oslip geantwortet, sein Grinsen hatte man sogar durchs Handy hören können. Oder was dir sonst einfallt. Wichtig ist nur, dass das Geld kommt. Weißt eh, in so einer Sache muss man viele Münder stopfen. Und er hatte stillschweigend bezahlt und hatte nicht gewagt, auch nur irgendeine Frage zu stellen. Wie ist das Ganze ausgegangen? Was ist mit dem Buben passiert? Hat seine Familie Nachforschungen angestellt? Der Oslip hatte ihm die ganzen entsetzlichen Folgen vom Hals geschafft, und dafür würde er zahlen, bis in alle Ewigkeit. Denn der Oslip würde noch oft anrufen, darüber brauchte er sich keine Illusionen zu machen. Wie lang das noch gutgehen würde? Bis jetzt hatte seine Frau nichts entdeckt, aber seine unbeholfenen Transaktionen würden auffliegen, allerspätestens bei der nächsten Buchprüfung. Und welche

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