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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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herumgestanden, Kinder noch, die längst ins Bett gehört hätten. Einer von den Buben hatte so Lockerln gehabt und ein richtiges Engelsgesicht wie die Ministranten an Fronleichnam zu Hause, das hatte man sogar durch den Schmutz gesehen. Und dann war plötzlich der Oslip neben ihm gestanden. Na, ist nix Passendes für dich dabei gewesen, hatte der Oslip gefragt und grinsend zurück zu dem Lärm und der Musik gedeutet. Er hatte nur den Kopf geschüttelt und zu dem Buben geschaut. Und plötzlich war es ganz still geworden zwischen ihm und dem Oslip. Einander erkennen, so hieß es doch in der Bibel dafür, was ein Mann und eine Frau miteinander machten in der Nacht. Der Pfarrer im Religionsunterricht vor vielen Jahren war ganz verlegen geworden, als sie über diese Stelle bei Adam und Eva gestolpert waren. Einander erkennen. Und der Oslip hatte ihn erkannt, er fand bis heute kein anderes, kein passenderes Wort für das, was sich auf diesem Hinterhof zugetragen hatte in weniger als einer Minute. Ah, so ist das, hatte der Oslip gesagt und wenigstens nicht mehr gegrinst. Na dann. Und er hatte dem Buben gewunken, und der war gekommen, schüchtern und aufgeregt zugleich. Der Oslip hatte eine Magnetkarte aus der Sakkotasche gezaubert und auf das Motel gegenüber gedeutet. Nimmst dir eins von den Zimmern im obersten Stock, ich sag Bescheid. Und morgen früh bringst ihn zurück. Aber dass noch alles dran ist, hörst mich? Dazu hatte der Oslip schon wieder gegrinst. Eines von den Mädchen war hinter ihnen aufgetaucht, aber der Oslip hatte sie mit einer Handbewegung zurückgescheucht. Und er selbst war dagestanden und hatte ein Gefühl gehabt, als ob sein ganzer Körper glühen würde. Er hätte sich auf der Stelle umdrehen und weggehen müssen und vorher noch dem Oslip vor die Füße spucken. Das wäre die einzig anständige Möglichkeit gewesen. Das wusste er heute und das hatte er damals gewusst. Aber er war dagestanden und hatte nur an eines gedacht. Dass es seine einzige Chance war, einmal im Leben, weit weg von allen und allem. Einmal wahr machen, wovon er träumte, was ihn quälte jede Nacht. Er hatte nach der Karte gegriffen, der Oslip hatte etwas zu dem Jungen gesagt, und dann waren sie zu dem Motel gegangen, er und das Kind.
    Am nächsten Morgen war er dagelegen und hatte den schlafenden Buben betrachtet. Der hatte noch immer die Fernbedienung für den riesigen Flachbildschirm in der Hand gehalten wie die Stunden vorher, als er ihn nur gebadet und gestreichelt hatte. Mehr war nicht passiert, er war doch kein Schwein, kein pädophiles Monster. Und die ganze Zeit über hatte der Junge auf den Bildschirm gestarrt, als ob er gar nicht da wäre und nicht merken würde, was mit ihm geschah.
    Um acht Uhr hatte er das Kind geweckt. Um zehn wollten sie sich für die Heimfahrt treffen, er und die anderen, nach dem Frühstücksbuffet, bei dem der Hermann wieder alles kahlfressen und auch noch heimlich Marmeladepackerln einstecken würde für zu Hause, der kannte da keinen Genierer. Aber vorher wollte er noch irgendetwas für den Buben tun, von dem er nicht einmal den Namen wusste, er hatte jedenfalls auf keine seiner Fragen reagiert. Bei der Anreise war ihm dieses riesige Shoppingcenter aufgefallen gleich nach der Autobahnabfahrt. Wo es alles gab, sämtliche Ketten waren vertreten, auch dieser amerikanische Spielzeugkonzern mit dem bunten Plastikkrempel. Dort wollte er für den Buben etwas kaufen, und vielleicht ein paar Pullover und ein Paar Schuhe dazu. Auch wenn das natürlich ein idiotisches Vorhaben war, aber er wollte es unbedingt tun, dem Buben etwas Gutes tun . Also hatte er sich angezogen und dann den Buben geweckt, der hatte eine Sekunde lang ganz erschrocken dreingeschaut, aber dann war er zum Glück ruhig geblieben. Und sie waren zu dem Shoppingcenter gefahren, ein Wahnsinn, eine Schnapsidee, wenn ihn der Luigi oder der Hermann gesehen hätten, was war ihm da nur eingefallen! Noch heute wurde ihm ganz heiß und kalt, wenn er daran dachte. Und das Verhängnis hatte seinen Lauf genommen wie in der Bibel. Der Parkplatz vor dem Shoppingcenter war noch fast leer gewesen, er hatte den Wagen abgestellt und nach hinten zu seiner Jacke gegriffen. Und in diesem Moment hatte der Junge die Tür auf seiner Seite aufgerissen und war hinausgesprungen und losgerannt wie ein Verrückter, als ob der Teufel hinter ihm her gewesen wäre. So bleib doch da, hatte er ihm nachgeschrien, ich will dir doch nur … Und dann war das Kreischen

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