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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und Quietschen von Bremsen zu hören gewesen, ein Knall und ein Splittern, ein weißer Kastenwagen war hinter der Hecke zum Stehen gekommen, die die Fahrbahn von den Stellflächen abgrenzte. Er war dagesessen, Stimmen waren laut geworden, aus dem Eingangsbereich vom Shoppingcenter waren Menschen gelaufen. Und dann hatte er wieder den Motor gestartet und war ganz langsam losgefahren, korrekt und bedachtsam, hatte den Blinker bei der Ausfahrt gesetzt und war zum Motel zurückgefahren. Wie in Trance. Die anderen waren schon beim Frühstück gesessen, der Hermann und der Luigi und der Othmar. Und der Oslip. Der hatte ihm entgegengegrinst. Na, da ist ja einer gar nicht aus den Federn gekommen! Er hatte sich einen Kaffee geholt und dann den Oslip am Büffet abgepasst. Kann ich dich einen Moment sprechen? Aber immer, hatte der Oslip gezwinkert. Und dann hatte er dem Oslip das Wenige erzählt, das es zu erzählen gab. Und der Oslip hatte nicht mehr gezwinkert. Sondern telefoniert, zweimal, auf Ungarisch. Und dann hatte sich der Oslip wieder zu ihm umgedreht. Ich bring das für dich in Ordnung. Aber das wird natürlich was kosten. Natürlich, hatte er gesagt, jetzt hatten ihm die Knie schon so gezittert, dass er geglaubt hatte, er würde gleich umkippen, die anderen hatten bereits herübergeschaut. Was ist mit dem … hatte er fragen wollen, aber der Oslip hatte nur unwirsch den Kopf geschüttelt. Die wissen noch nichts Genaues. Und das ist jetzt auch nicht mehr dein Problem. Fahr nach Hause und rühr dich nicht, verstanden? Du hörst von mir.
    Dann waren sie nach Hause gefahren, er und der Hermann, der Othmar fuhr beim Luigi mit. Der Hermann hatte zum Glück fast die ganze Zeit geschnarcht. An der Autobahnraststätte überm Mondsee hatten sie sich alle noch einmal getroffen und einen Kaffee getrunken, die Stimmung war auf einmal ziemlich gedrückt gewesen. Schon ein schräger Vogel, der Oslip, hatte der Hermann gesagt. Die anderen hatten genickt. Also, den brauch ma wirklich nicht bei uns, hatte der Othmar gesagt. Was hast denn so lang mit ihm geredet beim Frühstück, hatte der Luigi gefragt. Ich hab eine Tante dort in der Gegend, hatte er gesagt, die hab ich nicht erreichen können. Und da hat der Oslip für mich nachgefragt. Er war von sich selbst erstaunt gewesen, wie leicht ihm das Lügen fiel. Dann waren sie alle nach Hause gefahren und hatten den Ausflug zum Oslip vergessen. Oder wenigstens nie mehr davon geredet, wenn sie sich trafen. Waren ja auch meist die Frauen dabei.
    Er stand noch immer da und starrte auf die leere Krippe, wo das Jesuskind liegen würde, das so vielen Trost brachte. Auch denen, die über die Kirche und den Glauben immer nur spotteten. Aber wenn sie dann krank wurden oder der Tod an die Tür klopfte, dann kamen ihnen die Geschichten vom Himmel und vom Ewigen Leben plötzlich gar nicht mehr so komisch vor. Und von der Vergebung, die für jeden möglich war. Aber nicht für ihn, denn er hatte sich der allerschlimmsten Sünde schuldig gemacht. Er war nicht nur ein erbärmlicher Feigling gewesen, damals auf dem Parkplatz, sondern er hatte einen Menschen getötet, mit seinen eigenen Händen. Aber, Herr im Himmel, warum war sie auch ausgerechnet …
    Eine schwere Hand krachte auf seine Schulter, es riss ihm beinahe das Herz entzwei vor Schrecken. Der Vizebürgermeister stand grinsend hinter ihm, offenbar hatte er schon einen Punsch intus. Oder auch zwei. »Na, schaust beim Kripperl vorbei? Wirst uns doch nicht fromm werden auf deine alten Tag!« Er schluckte, dann grinste er zurück: »Vielleicht bin ich halt ein Spätberufener!« Sie lachten, der Atem gefror vor ihren Mündern.

    *

    Sie waren zurück aus Ungarn, und jeder hatte sich in sein Zimmer verzogen. Pestallozzi saß am Schreibtisch und starrte zum Fenster hinaus, Leo brütete nebenan über dem Bericht, der an die Gerda Dörfler abzugeben war, zwei Tage Auslandsaufenthalt mussten protokolliert und die Ausgaben penibelst angeführt werden, auch wenn die Landesregierung gerade ein paar Hundert Millionen Steuergeld verzockt hatte, einfach so, manche munkelten sogar von einer Milliarde. Aber wenn zwei kleine Beamte ein paar Hundert Euro zu verrechnen hatten, dann musste das bis auf den Cent genau aufgelistet und gegengezeichnet und bewilligt werden: Kilometergeld und das billige Motel, in dem sie für eine Nacht abgestiegen waren, mit den schmuddeligen Tapeten und dem obligaten Münzeinwurf neben dem Fernseher für Pornos, die man sich spät in

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