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Kalter Weihrauch - Roman

Kalter Weihrauch - Roman

Titel: Kalter Weihrauch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Sie waren unter dem Dach angelangt, nur mehr ein schmaler Gang führte an drei Türen vorbei. Die Schwester öffnete die erste und blieb stehen, Lisa zwängte sich mit ihrer Reisetasche an ihr vorbei. Was sollte sie jetzt sagen? Oh, sehr schön, vielleicht? Das Zimmer sah aus wie die Kammerln, in denen sie während ihrer Ausbildung zur Medizinerin in den diversen Krankenhäusern und an den verschiedenen Abteilungen übernachtet hatte. Ein Bett mit Tischchen und einer Lampe, eine Kommode, eine Garderobe an der Wand. Ein riesengroßer Schrank in der Ecke gleich neben der Tür. Und natürlich ein Kruzifix an der Wand, jemand hatte eine Rispe trockener Ähren hinter den gekreuzigten Jesus gesteckt.
    »Oh, sehr schön!«, sagte Lisa. »Nur, äh, gibt es auch, also ich meine, gibt es auch eine Toilette und eine Dusche hier oben? Oder muss ich …?« Sie sah sich schon mitten in der Nacht durch dieses kalte Haus wandeln. Keine sehr erfreuliche Aussicht. Auf einen Bademantel hatte sie nämlich vergessen, weil sie wie von der Tarantel gestochen einfach ein paar Slips und Pullover und ihre Zahnbürste in die Tasche geworfen hatte.
    Die Schwester wies auf den riesigen Schrank: »Da finden Sie alles. Vor zwei Jahren sind nachträglich Toiletten und Waschgelegenheiten in die Gästezimmer eingebaut worden.«
    Danke, ihr Jungfrauen im Himmel! Lisa lächelte die Frau im bodenlangen weißen Kleid voller Erleichterung an, aber die bewegte keine Miene. Ihre Augen waren von Brillengläsern verdeckt, die mindestens einen Zentimeter dick sein mussten. Ob Klosterschwestern eigentlich Kontaktlinsen tragen durften?
    »Vielen Dank für Ihre Begleitung«, sagte Lisa. Sie kam sich plötzlich wieder so unsicher vor wie als Studentin, wenn sie den Stationsschwestern gegenüber gestanden war. Manche waren richtige Drachen gewesen. Diese hier hätte gut auf eine Interne gepasst oder auf eine Urologie, wo sie die Männer herumkommandieren konnte. »Ich, äh, werde dann …«
    »Falls Sie an der Vesper teilnehmen wollen, so beginnt diese um 18 Uhr. Es steht Ihnen natürlich frei. Abendessen ist anschließend um 18 Uhr 45.«
    »Oh, also ich glaube, ich werde heute lieber auf meinem Zimmer bleiben. Nur wenn das …«
    »Selbstverständlich.« Die Schwester neigte den Kopf und rauschte davon, ein paar Mal war noch das Quietschen ihrer Schuhsohlen zu hören, dann war es völlig still. Lisa Kleinschmidt schloss die Tür und ließ sich aufs Bett fallen. Wie viele Frauen lebten eigentlich in diesem Haus? Sie hätte Artur fragen sollen. Aber den hatte sie ja nur angeblafft wie eine Furie. Obwohl, auch Artur war in den letzten Tagen irgendwie verändert gewesen. Hatte nicht zurückgerufen, was doch gar nicht seine Art war. Oder bildete sie sich das nur ein? War sie wirklich so ein Sensibelchen, wie ihr Exmann sie immer geneckt hatte? Na ja, wenigstens am Anfang, am Schluss hatte er sie dann meistens nur mehr eine hysterische Zicke genannt.
    Sie stand auf und machte zwei Schritte zum Fenster. Der Blick ging in einen Innenhof, in dem sich zusammengesunkener Schnee auf Büschen und zwei Behältern, offenbar Mülltonnen, türmte. Eine Krähe versuchte auf dem Sims gegenüber zu landen, aber sie rutschte immer wieder ab und endlich gab sie auf und flatterte davon. Lisa sah ihr nach, wie sie hinter dem eisig funkelnden Dach verschwand. Sie war noch nicht einmal eine Stunde in diesem Haus und schon fühlte sie sich wie von der Umwelt abgeschnitten. Wie die Schwestern das nur aushielten? Die Bräute Christi? Wenigstens waren sie heutzutage alle freiwillig im Kloster, hoffentlich! Und nicht so wie früher, als unverheiratete Töchter einfach in Klöster abgeschoben worden waren. Und den Rest ihres Lebens mit Beten und Sticken ausfüllen mußten.
    Unten im Hof schlug eine Tür zu, dann erschien langsam eine Schwester, die gebeugt und schleppend ging. Sie trug einen Kübel zu den Mülltonnen, von denen sie eine mühsam öffnete, der Schnee fiel in Brocken zur Erde. Die Schwester stülpte den Kübel über die Tonne und klopfte auf seinen Boden, dann klappte sie den Deckel der Mülltonne wieder zu und ging den Weg zurück. Doch nach wenigen Schritten blieb sie plötzlich stehen und blickte zum Fenster des Gästezimmers hoch, Lisa machte erschrocken einen Schritt zurück wie ertappt! So ein Unsinn, sie ärgerte sich über sich selbst. Warum sollte sie nicht am Fenster stehen und hinausschauen dürfen? Denn etwas anderes war ja wohl kaum möglich in dieser

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