Kalter Zwilling
wieder auf. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, Frau Richter. Ich habe gerade eine schlechte Nachricht erhalten. Vielleicht können wir unser Thema ein anderes Mal weiter vertiefen.« Er erhob sich, schüttelte Emily die Hand und führte sie aus seinem Büro. Emily seufzte. Schade, aber dieses Gespräch war wohl vorläufig beendet.
...
»Wir haben drei mögliche Täter ins Visier genommen.« Die Stimme von Oliver Bergmann klang aufgeregt. Die ganze Nacht hatte er mit der Auswertung von Profilen verbracht. Jeden Amerikaner, der im Rhein-Kreis Neuss wohnhaft und bei einem amerikanischen Unternehmen angestellt war, hatte er akribisch durchleuchtet. Ohne Resultat. Die Suche nach deutschen Mitarbeitern, die zum Mordzeitpunkt in Minnesota gewesen waren, hatte immerhin drei Treffer erbracht.
Das Interessanteste daran war, dass einer von ihnen Ronny Hammerschmidt hieß. Ein Mann mit diesem Namen war der letzte Freier von Sophia Koslow gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er auch ihr Mörder war, stieg aus Olivers Sicht in astronomische Höhen. Er hatte vor einem Jahr nicht nur in St. Paul die Gelegenheit gehabt, eine Prostituierte zu töten, sondern er war auch der Letzte, der Sophia Koslow lebend gesehen hatte.
»Hat Ihr Partner noch nicht mit Ihnen gesprochen?« Hans Steuermark unterbrach Oliver unwirsch.
»Nein, wieso?« Oliver blickte Steuermark fragend an.
»Sie sind von dem Fall abgezogen. Alle beide!«
Oliver erhob sich überrascht und beugte sich über Steuermarks Schreibtisch. »Wie meinen Sie das, wir sind abgezogen?«
Hans Steuermark setzte einen unterkühlten Blick auf und erwiderte gereizt: »So wie ich es sage. Ende. Sie werden bis auf Weiteres nach Frankfurt an der Oder versetzt und Ihr Partner ist die längste Zeit Kriminalbeamter gewesen.«
Oliver starrte den Leiter des Kriminalkommissisariats ungläubig an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Doch im Blick von Hans Steuermark entdeckte er nichts als Entschlossenheit. Steuermark hatte sein Urteil gefällt. Plötzlich kraftlos sank Oliver zurück auf seinen Stuhl.
»Ich weiß, dass Sie die Visitenkarte von Klaus Gruber vom Tatort entfernt haben.« Steuermark sah Oliver anklagend an. »Es war die einzige Karte, die fehlte und Ihre Kollegin Petra Ludwig hat die Fakten sofort erkannt.«
Steuermark seufzte laut. »Verdammt, Bergmann, warum haben Sie das getan? Sie hätten doch wenigstens zu mir kommen können, oder glauben Sie, ich hätte Ihnen direkt den Kopf abgerissen?«
Mit einer verzweifelten Geste fuhr er fort: »Durch Ihre Kollegin ist die Sache jetzt offiziell. Ich kann das nicht ignorieren. Wir haben Kokainreste an der Uniform Ihres Partners gefunden. Er steht unter Verdacht, diese Droge konsumiert zu haben. Und Sie hatten nichts Besseres zu tun, als eigenmächtig den Tatort zu verändern! Auch wenn Sie nur Ihren Partner schützen wollten, ich muss Sie zumindest zwangsversetzen. Seien Sie froh, dass Sie nicht suspendiert werden!«
Die Worte prasselten mit solcher Wucht auf Oliver nieder, dass ihm augenblicklich speiübel wurde. Im ersten Moment verfluchte er seinen Partner Klaus, der offensichtlich mit seinem Geständnis alles ruiniert hatte. Dann verdammte er seine Kollegin Petra Ludwig. Diese ehrgeizige blöde Kuh! Warum mischte sie sich in seine Angelegenheiten ein? Hätte sie nicht einfach ihre Klappe halten können? Da konnte sie sich jetzt ja endlich Hoffnungen auf eine Beförderung machen. Immerhin hatte sie direkt zwei Kollegen mit einem Schlag erledigt!
Olivers Kehlkopf schmerzte. Gequält bemühte er sich, seine Wut und Verzweiflung hinunterzuschlucken. Schon wurden seine Augen feucht. Steuermark sah ihn traurig an. »Glauben Sie mir, es ist das Beste, wenn Sie Ihren Dienst erst einmal in Frankfurt an der Oder antreten. Frau Ludwig übernimmt ab sofort die Ermittlungen.« Er tätschelte Olivers Schulter. »Ihr Dienst beginnt morgen. Also fangen Sie an zu packen.«
...
»Wie konntest du so etwas tun und mir nichts davon erzählen? Ich dachte, wir haben keine Geheimnisse voreinander!« Emily schluchzte heftig. Tränen liefen ihr in dicken Strömen über die Wangen und tropften auf ihre Bluse. Ihre Augen funkelten Oliver wütend an.
»Emily, es tut mir leid.« Oliver schüttelte traurig seinen Kopf. »Ich wollte nicht, dass du schlecht von mir denkst. Ich wollte dich nicht belügen. Bitte glaube mir.« Seine Stimme hatte einen flehenden Unterton. Das fehlte ihm jetzt gerade noch. Auf
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