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Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Kaltes Fleisch. Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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schien aber ins Schwarze getroffen zu haben. Er zuckte zusammen.
    »Mir ist das unangenehm, sehr unangenehm, aber die Geschäftsführung … und der ruhige Verlauf der Geschäfte, der Geschäfte, für die ich immerhin zuständig bin …«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Kümmern Sie sich lieber darum, dass nicht noch jemandem etwas passiert.« Damit drehte ich mich um und ging an den Fruchtsäften vorbei hin zu dem Regal mit Senf und Ketchup.
    »Was kann ich …?«
    Ich blickte noch einmal zu ihm zurück. Er lehnte sich an einen Stapel mit Dosenbohnen und konnte erst im letzten Moment verhindern, dass er umfiel.
    Ich wuchtete meine Einkäufe aus dem Kofferraum. Aus Protest gegen Ultrakauf und seine misstrauische Geschäftsführung hatte ich dort nur das Nötigste genommen und war dann zum Naschmarkt gefahren. Ein gefährliches Gebiet für Kochfreaks wie mich. Natürlich hatte ich wieder viel zu viel eingekauft. Ob ich in meinem Tiefkühlschrank genug Platz hatte, um die zweite Lammkeule einzufrieren, war nicht ganz sicher. Aber ich hatte einfach nicht widerstehen können, mehr als eine zu nehmen. Paprika, Tomaten, ein paar exotische Früchte – das war ein gutes Programm, um das triste Herbstgrau zu vertreiben. Drei Säcke in der linken Hand, drei Säcke in der rechten Hand. Ärgerlich, dass ich den nächsten freien Parkplatz erst zwei Gassen von meiner Wohnung entfernt gefunden hatte. Ich trabte ums Eck – und natürlich: Jetzt gab es einen freien Platz, der nur zwanzig Meter vom Haus entfernt war.
    Das Nächste, was ich sah, war Vesna. Sie hechtete förmlich auf ihre Maschine und fuhr unter ohrenbetäubendem Geknatter ab. Das Übernächste war ein Streifenpolizist, der sich auf sein Motorrad schwang, um sie zu verfolgen. Vesna hatte ihre Maschine vor Jahren in Bosnien mit der Hilfe ihrer Brüder zusammengebaut. Die Teile stammten von den unterschiedlichsten Fabrikaten, und ich war mir nicht sicher, ob alle ursprünglich für Motorräder gedacht gewesen waren. Jedenfalls hatte Vesna in Österreich für diese Mischmaschine keine Zulassung bekommen. Das war den Behörden ausnahmsweise nicht zu verdenken. Sie verstieß gegen mehr Vorschriften, als auf einen Strafzettel passten. Da waren die Lärmbelästigung, die Geruchsbelästigung, das seltsam flackernde Rücklicht, der viel zu starke Motor.
    Gar nicht gut, wenn Vesna von der Polizei geschnappt würde. Ihr Aufenthaltsstatus in Österreich war eher schwebend, eine Arbeitsbewilligung hatte sie auch nicht. Gehetzt sah ich mich um. Dann stellte ich meine Beute einfach am Gehsteig ab, sprang auf die Straße und fuchtelte vor dem Motorradpolizisten mit den Armen herum, Das war knapp. Zwei Meter mehr, und er hätte mich überrollt. Ich schloss vor Schreck die Augen. Als ich sie wieder aufklappte, stand er ungehalten vor mir.
    »Sie haben eine Amtshandlung vereitelt«, sagte er, und es klang hohl, weil er seinen Helm aufbehalten hatte.
    Ich stellte mich dumm und versuchte Zeit zu gewinnen. »Ich? Ich verstehe nicht. Ich hab Sie doch aufgehalten, damit Sie amtshandeln.«
    Jetzt war es an ihm, dumm zu schauen. »Warum?«
    Ich zuckte die Achseln und sah mich Hilfe suchend um. Meine sechs Einkaufssäcke standen noch immer am Gehsteig. »Haben Sie nicht gesehen, dass mir jemand die Taschen entreißen wollte?«
    »Die?«
    »Ja.«
    »Aber die stehen doch unbehelligt am Gehsteig.«
    Ich wollte schon fragen, wie man Taschen ›behelligen‹ konnte, ließ es aber dann doch lieber bleiben. »Na weil der Täter geflohen ist, als ich Sie herangewunken habe.«
    »Und was ist in diesen Taschen?«
    »Einkäufe. Gemüse, Fleisch, Obst.«
    »Und deswegen stören Sie meine Amtshandlung?«
    Jetzt bloß stur beim Thema bleiben. »Welche Amtshandlung? Er wollte meine Taschen stehlen.«
    »Wie hat er ausgesehen?«
    »Es ging so schnell. Mittelgroß, braune Haare, zirka eins achtzig groß.«
    »Ausländer?«
    »Inländer.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Warum fragen Sie mich dann, ob es ein Ausländer war? Er war Inländer, weil er ›her damit‹ gesagt hat, und das hat sehr wienerisch geklungen.«
    »Haben Sie das Motorrad gesehen?«
    »Er hatte kein Motorrad, er war zu Fuß.«
    »Das Motorrad, das geflohen ist?«
    Jetzt konnte ich nicht mehr anders. »Ein Motorrad? Ganz allein?«
    »Mit einem Fahrer.«
    »Aber er hatte kein Motorrad.«
    »Nicht er, sondern ein anderer.«
    Jetzt müsste Vesna weit genug entfernt sein. Zum Glück hatte der Streifenpolizist offenbar keine Nummer notiert.

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