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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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bis nach Derbyshire mitgenommen«, sagte Cooper. »Der Mann habe während der Fahrt kaum gesprochen, meinte er. Falls es McTeague war, gibt es keine plausible Erklärung dafür, wie er es von Harrop bis zur A6 geschafft haben soll.«
    »Die Leute hier haben ständig Soldaten mitgenommen«, sagte Rowland. »So sind die Jungs immer nach Hause gekommen, wenn sie mal frei hatten, und auch wieder zurück zu ihren Stützpunkten. Alle haben das gemacht. Und niemand wäre auf die Idee gekommen, irgendwelche Fragen zu stellen.«
    »Schon klar. Der Lastwagenfahrer hat später, als er von seiner Tour zurückkam, auch nur von dem vermissten Flieger gehört, weil er hier aus der Gegend stammte. Aber McTeague war ein Deserteur. Man hätte ihn suchen lassen.«
    »Ein Deserteur? Vielleicht. Aber einer von Hunderten«, sagte Rowland. »Die Jungs haben sich pausenlos ohne Erlaubnis von der Truppe entfernt, aber das wurde nicht an die große Glocke gehängt. Schlecht für die Moral, wissen Sie. Man konnte doch nicht zulassen, dass die Öffentlichkeit dachte, unsere mutigen Jungs hätten die Hosen voll.«
    »Damals waren ganz andere Zeiten, was?«, sagte Cooper. »Ein fremdes Land.«
    Rowland nickte, wohl wissend, was Cooper damit andeuten wollte. »Das ist die Vergangenheit immer, sogar wenn man selber dabei war.«
    Cooper schwieg eine Weile und wartete, bis der alte Mann weitere Erinnerungen zutage gefördert hatte. Er wusste, wie es mit lange zurückliegenden Erinnerungen war. Sie glichen einem gewaltigen Meer, das mit der Flut herantoste, dann aber die Küste kaum berührte und wieder zurückwich, so dass nur eine schmale feuchte Spur am Strand zurückblieb.
    »McTeague«, wiederholte Rowland gedankenverloren. »Er hat seinen Leuten versprochen, Hilfe zu holen, aber er hat nur seine eigene Haut gerettet. Wäre er als Einziger gestorben und die anderen hätten überlebt, wäre das gerecht gewesen. Für das, was er getan hat, gibt es keine Entschuldigung. Absolut keine. Ich hoffe nur, dass ihn der Gedanke an die vier Toten sein Leben lang verfolgt hat.«
    »Vielleicht war es ja so.«
    Cooper unterdrückte ein Grinsen. Es hatte nicht viel gebraucht, um den alten Mann dazu zu bringen, seine eigene Regel zu brechen, nicht schlecht von den Toten zu reden.
    »Zwei von der Besatzung waren doch Polen?«, sagte Rowland.
    »Stimmt.«
    »Mutige Burschen waren das. Haben zwar immer zusammengehockt, aber auch gut gekämpft. Die haben die Deutschen aus tiefstem Herzen gehasst. Aber die Russen haben sie auch gehasst. Überhaupt konnten die gut hassen, die polnischen Jungs. Hatten ihre Überzeugungen, und dabei blieben sie auch, da hätte man sich auf den Kopf stellen können. Und man hat nie gehört, dass einer von denen desertiert ist.«
    »Sie haben für ein Ziel gekämpft, das sie ganz persönlich anging – sie wollten wieder in ihre Heimat und zurück zu ihren Familien. Wahrscheinlich weiß man in einer solchen Situation eher, warum man kämpft.«
    »Aber sie sind nicht wieder in ihre Heimat zurückgegangen, jedenfalls nicht alle«, widersprach Rowland. »Viele sind hier geblieben. Wegen der Russen. Die Polen wollten kein kommunistisches Polen.«
    »Und weil sie englische Mädchen geheiratet und hier eine neue Heimat gefunden haben.«
    »Ja, das stimmt auch wieder, und das kann man ihnen nicht mal verdenken. Ich weiß noch, dass unsere Mädels ganz wild auf sie waren. Sie hatten so was … irgendwie waren sie geheimnisvoll und romantisch, das auch. Na ja, so was mögen die Mädchen ja.«
    »Vermutlich haben die britischen Soldaten ihnen das manchmal ein bisschen übel genommen.«
    »Kann sein. Aber die Polen waren immer noch besser als die elenden Yankees. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mich jederzeit für ‘n Polen entscheiden. Auf alle Fälle war ich froh, dass sie auf unserer Seite waren. Die hätte ich nicht gern als Feinde.«
    »Nein«, bestätigte Cooper. »Sie vergessen wohl nicht so schnell, was man ihnen angetan hat.«
    Rowland sah schweigend an ihm vorbei. Die Hände des alten Mannes krochen langsam auf dem Tisch aufeinander zu, als könnten sie einander durch die Berührung Erleichterung verschaffen. Cooper hörte den Wasserkocher in der Küche brodeln und dann das Klicken, als er sich abschaltete. Rowland rührte sich nicht.
    »Sie wissen überhaupt nichts da drüber«, sagte er. »Sie sind nicht dabei gewesen, so wie ich. Sie mussten die Fetzen nicht aufsammeln. Und davon lagen jede Menge herum. Dieser Pole … Zygmunt

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