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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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erklärte der Arzt. «Nichts Schlimmes, Glück im Unglück.»
    Das war es nicht, was Charlie hatte wissen wollen, er wollte wissen, warum das Haus eingestürzt war, aber er kam nicht dazu weiterzufragen.
    «Wo haben Sie sie gefunden?», wollte Ada Keller wissen.
    Charlie begriff, dass die anderen mit ihrem Wissensdurst in der Überzahl waren, er würde zuerst erzählen müssen. Zumindest das, was er wusste, denn die ganze Geschichte kannte natürlich nur das Mädchen, das dort hinter einem Laken auf dem Tisch lag und keinen Laut von sich gab. Alle Gesichter waren Charlie zugewandt.
    Er setzte sich auf einen freien Stuhl und schwieg. Er fühlte sich nicht in der Lage zu beschreiben, was er in den letzten Wochen, Tagen, Stunden erlebt hatte, und noch weniger vermochte er sich vorzustellen, wie es Hetti ergangen war. Er konnte es nicht verhindern, dass ihm die Tränen kamen, und als sie erst zu fließen begonnen hatten, rissen sie ihn einfach mit sich. Er weinte nicht für sich, sondern für Hetti, er fühlte sich schuldig, weil er nicht auf sie aufgepasst hatte. All das hätte nie passieren dürfen, es war alles seine Schuld, er hätte …
    «Ich fürchte, es ist meine Schuld», hörte er Regenmacher sagen.
    Charlie blickte auf.
    Das Mädchen kam mit dem heißen Wasser die Treppe herauf und brachte es dem Arzt. Regenmacher saß in einem großen Sessel, den man vom Haupthaus herübergeschafft hatte. Trotz seiner Verletzung wirkte er mehr wie ein Richter als wie jemand, der Schuld auf sich nahm.
    «Sie sollten vielleicht die ganze Geschichte erzählen», sagte Regenmacher.
    Er sah Charlie ernst an und nickte, und Charlie wusste die Geste zu schätzen. Er würde erzählen. Alles. Aber erst nachdem er etwas gegessen hatte, denn während der Arzt sich um Hettis Verletzungen kümmerte, hatten Johanne Pflog, Katharina und Ernestine dafür gesorgt, dass sie trotz der halb verwüsteten Küche alle ein warmes Essen bekamen. Auf einem der großen Wäschefalttische trugen sie Berge von Kartoffelstampf mit viel Butter, Ei und Salz auf, Sülzfleisch und eingemachte Kirschen vom Vorjahr.
    Der Arzt kam hinter dem Vorhang hervor, er hatte Blut an den Händen, dass er sich an einem sauberen Handtuch abwischte. In Charlies Magen zog sich etwas zusammen. Er hatte nicht bemerkt, dass Hetti verletzt war. Woher kam das Blut?
    «Sie schläft jetzt, ich habe ihr eine Spritze gegeben», sagte der Arzt. «Wenn sie im Leben noch mal singen soll», fügte er an Ada Keller gewandt hinzu, «dann schont sie ihre Stimme die nächsten Wochen besser. Konsequent. Sie hat nicht nur eine böse Quetschung am Kehlkopf, sondern auch eine hübsche Stimmbandentzündung, soweit ich das bei dem spärlichen Licht hier beurteilen kann. Sie soll aufschreiben, was sie zu sagen hat, wenn sie unbedingt etwas sagen muss.»
    Der Arzt drehte sich ein paarmal um sich selbst, bis er alle seine Sachen beieinander- und in seiner Tasche verstaut hatte.
    «Herr Doktor», sagte Regenmacher. «Bevor Sie gehen. Haben Sie auch Fräulein Kellers Herzschlag kontrolliert?»
    «Selbstverständlich.»
    «Und ist Ihnen dabei etwas Besonderes aufgefallen?»
    «Ihr Herz schlägt den Umständen entsprechend recht schwach.»
    «Sind Sie sicher, dass Sie korrekt abgehört haben?»
    «Ich muss doch bitten.»
    Regenmacher lächelte. «Bitte entschuldigen Sie, Herr Doktor. Ich stelle selbstverständlich nicht Ihre Kompetenz in Frage. Dennoch möchte ich Sie bitten, das Mädchen noch einmal gründlicher abzuhören. Auf beiden Seiten der Brust.»
    Der Arzt zuckte die Achseln und tat, worum er gebeten worden war. Nachdem es hinter dem Vorhang eine Weile, die Charlie unendlich lang vorkam, still geblieben war, fragte Regenmacher:
    «Sagen Sie mir, Herr Doktor, schlägt Henriettes Herz auf der rechten oder auf der linken Seite?»
    Der Arzt antwortete nicht gleich, doch als er hinter dem Vorhang hervorkam, sagte er: «Der zweite Fall an diesem Tag, Professor Regenmacher. Es schlägt rechts.»
    Man sah dem Doktor an, dass er seine Schlüsse daraus zog, doch Regenmacher schien nicht gewillt, seinen Verdacht zu bestätigen. Stattdessen blickte er Charlie in die Augen und nickte erneut.
    «Kommen Sie, Herr Doktor, ich bringe Sie hinunter», sagte Johanne Pflog eilig.
    Als sie wieder heraufkam, schenkte sie aus einer staubigen Flasche dunkelroten Wein ein, und nachdem Charlie einen Schluck getrunken hatte und alle Blicke fragend auf ihm ruhten, begann er.
    Er erzählte davon, wie Regenmacher Ada Keller

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