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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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verhelfen würde. Einen Monat lang entsorge ich Müll, tapeziere, streiche, repariere, putze und ersetzte. Einige Möbel sind nicht mehr zu gebrauchen und an wenigen Stellen erkenne ich Umrisse an den Wänden, die zu keinem der hiesigen Tischchen und Vitrinen passen wollen. Aber es stört mich nicht weiter. Den verbrannten Trakt kann und will ich nicht mehr retten, somit wird der eine unversehrte Raum so gut es geht herausgeputzt, die anderen sperre ich ab. Zweimal.
    Erschöpft falle ich in die frisch shampoonierten, majestätischen Polstermöbel. Allein der Ohrensessel hätte noch eine Verschönerung nötig. Ein andermal. Ich lächele zufrieden in mich hinein, bestaune mein eigenes Werk. Dann trage ich meine Erbutensilien aus Mr. Millers Gerätschaften in den Keller, wohin ich bereits einen schweren Eichentisch geschleppt habe, den ich für meine Arbeiten als Arbeitsfläche benutzen kann. Einen Stapel Leinentücher habe ich ebenfalls dort gefunden.
    Gegen Nachmittag fahre ich ins Dorf, um eine Waschmaschine, eine Mikrowelle und anderen Kram zu kaufen. Bei ›Pen´s Paper‹ gebe ich Visitenkarten in Druck und lasse eine davon bei den geschwätzigen Klatschweibern zurück. Bessere Werbung gibt es nicht. Und ein Bestatter, der in ihr verlassenes Hexenschloss einzieht, ist für diese Leute ohnehin wie ein gefundenes kostenloses Häppchenfressen auf fremder Leute Beerdigungen.
    Eine Weile bleibe ich noch in diesem winzigen Schmuckstück, das bis unter die Decke mit Nippes, Schallplatten, Instantlebensmitteln und Spirituosen vollgepackt ist. Kräuter- bündel hängen auf mich herab, deren Duft nach Wald und Natur mich einlullen. Neben mir führt eine schmale Treppe in ein Obergeschoss. Ein kleines offensichtlich selbstgeprägtes Blechschild wirbt für eine Bücherstube.
    Unangenehm laut poltert jemand in edlem Zwirn herein, dringt anstandslos auf die Verkäuferin ein, indem er sich über den halben Tresen lehnt, und verlangt lautstark nach dem Titel ›Angst‹ von Stephen Law. Natürlich ohne Begrüßung und dem unaussprechlichen Wort ‚Bitte‘.
    Sie weist ihn freundlich an, doch in den ersten Stock in die Bücherstube zu gehen.
    »Ist das oben?«, blafft er.
    »Rein architektonisch gesehen, schon«, lächelt sie freundlich.
    Er schnauft theatralisch und sieht sich nach Zuhörern um, die diese schlagfertige Antwort genauso unerhört finden wie er. Glücklicherweise werden die Köpfe ausschließlich über ihn geschüttelt.
    »Muss ich jetzt da hoch gehen ?«, versucht er es noch einmal.
    »Diese Art der Fortbewegung wird von den meisten Kunden bevorzugt«, bekommt er als Antwort.
    »Kein Service hier«, knurrt er und schlägt demonstrativ gegen eine Topfpflanze. Der Wink mit dem Gartenzaun ist ihm wohl erneut entgangen.
    Als er an mir vorbeikommt, krakeelt er: »Sind sie hier auch so unhöflich behandelt worden?«
    »Nein. Aber ich habe mich auch benehmen können«, antworte ich ihm.
    Hinter uns wird dreckiges Gelächter laut.
    Deshalb verachte ich einen bestimmten Teil der Lebenden. Sobald sie sich durch ein eigenes Bürokämmerchen mit Durchwahl auf der gesellschaftlichen Skala vom Prekariat entfernen, geben sie die Erziehung an der Garderobe ab und erdrücken jene auf der anderen Seite der Theke mit ihrem kulissenhaften Ego. Etwas, das die Toten nicht mehr tun können und dadurch in meiner Achtung steigen. Sie sind einfach so viel umgänglicher.
    Ich verlasse höflich nickend den Laden und spaziere gemütlich durch die engen Gässchen, von wo aus sich schmale Häuser, die man das letzte Mal zu Queen Victorias Krönung getüncht haben muss, mir entgegen neigen oder sich aneinander lehnen. Mit einem Mal überholen mich einige Eingeborene, auf Stöcke gestützt oder Arm in Arm – es ist eine Seniorenstadt.
    Mehr durch den vage tröpfelnden Strom der humpelnden Greise geleitet als auf eigene Faust, lande ich auf einem kleinen Platz mit dem obligatorischen Brunnen und der alten Buchhandlung. Derzeit findet dort ein Flohmarkt statt, auf dem ich alte Krimis, einen Fernseher, sowie ein paar verrückte Lampen ergattere. Und eine Sackkarre, um alles nach Hause zu fahren.
    Nach Hause.
    Ja, für den Moment bin ich angekommen.

McLiod
    Ich schrecke auf, spüre eine Präsenz in meinem Rücken.
    Scheinbar hat mich die Arbeit an meiner Grabplatte so stark eingenommen oder ich bin über dem lächerlichen Schriftzug eingeschlafen.
    Vorsichtig luge ich über meine Schulter. Aha … man hat also erneut den Weg zu mir gefunden.

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