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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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es. Ich habe es wieder abgeschlossen. Wenn es jemand veräußert, dann bin das immer noch ich. Und der Schlüssel liegt da, wo du niemals deine Finger hinstrecken würdest. Also.«
    Er schüttelt bedauernd den Kopf, hält mir sein leeres Weinglas hin. Er hat den Essig ausgetrunken und ich krame eine Flasche edlen Whiskey hervor, den ich eigentlich für einen meiner Freunde bereithalte. Aber der besucht mich nun mal so selten, weil es sich um einen schwerbeschäftigten Ahnenforscher aus Skye handelt. Unwichtig. Daher ist er seit meinem Einzug noch immer verschlossen.
    »Du Bandit, Harris! Holst das feine Zeug erst zum Ende heraus.«
    James hält mir sein Glas entgegen.
    »Ist das denn schon das Ende?«, frage ich ihn.
    Er stockt in seiner Bewegung. »Wo denkst du hin? Nein, nein, mein Alter. Wir fangen gerade an! Ich brauche deine Hilfe – und zwar gestern!«
    Großartig, wie gezielt er mein gemütliches Alleinsein zunichtemacht. Aus reiner Langeweile drehe ich mir mein zweites Überraschungspäckchen in den letzten acht Stunden im Wachzustand.
    »Du musst wissen, dass ich Eile verabscheue. Und wieso überhaupt Hamburg? Du bist ja zweifellos Schotte. Außerdem habe ich über dich gehört, dass wir den gleichen Lehrmeister hatten. Was also könnte ich wohl besser als du? Außer vielleicht die Buchführung.«
    Überrascht merke ich, dass er schweigt (was er selten zu tun scheint), und sehe ihn forschend an.
    »Was tust du gerade?«, fragt er endlich, als es mir schon zu ungemütlich wird und ich ihn gerade wieder hinauswerfen will.
    »Ich rede mit dir.«
    »Und was noch? Was hast du für Projekte derzeit?«
    Ich hasse es, wenn man Leichen als Projekte bezeichnet, die meisten Bestatter tun es leider. Aber er weiß es eben nicht besser. Ebenso wie er nichts davon weiß, dass ich das Geschmeide der feinen Lady bereits beim Einzug versetzt habe und der Schlüssel in einem Mauseloch steckt.
    »Außer deinem eigenen Grabstein.«
    Gehetzt stelle ich fest, dass ich tatsächlich etwas zu tun habe. Dass ich es nur seit gestern scheine vergessen zu haben. Tag oder Nacht hat bei mir meist wenig Bedeutung. Ich teile mir meine Arbeitszeit willkürlich ein; Hauptsache ist, der Klient kann pünktlich abgeholt werden. »Nun, ja … ich habe den Leichnam einer jungen Frau oben in der Kühlung. Es ist etwas Passendes für ein nachträgliches Halloween gewünscht. Offener Sarg – nur für die Eltern.«
    Er beobachtet mich lange starr aus schwarzen Augen. »Du arbeitest also bereits an einem Auftrag für Sie ?«
    Er setzt voraus, dass ich weiß, wen er meint. Seine Stimme zittert leicht und er gräbt die Nägel in den dicken Stoff. Kurz mache ich mir Gedanken über die Tierchen, die damit ihren Wohnsitz gewechselt haben. Er hätte die alten geblümten Armdeckchen nicht ablehnen sollen. Ich habe sehr wohl mehr als den Hauch einer Ahnung, wen er meint. Die Drei Köpfe des Zerberus, die blinde und stumme Opfer auf ihre Seite locken wollen. Oder ihnen, in seltenen Fällen wie meinem, diese Entscheidung gleich abnehmen. Wie bei einem Wetteinsatz, der sogleich an den Gewinner geht. Die Drei Geheimnisse. Vielleicht nicht existent, wer weiß das schon. In der Branche murmelt man hinter vorgehaltenen Händen; tuschelt, wie beim Streuen eines gefährlichen Gerüchtes. Dennoch, jedes Märchen enthält ein Stückchen aus dem Kern der Wahrheit.
    »Nein. Ihre Familie brachte sie gestern vorbei. Sie wurde auf der Straße überfahren und anschließend ausgeraubt. Der 31. wäre ihr Geburtstag gewesen. Sie holen sie fertiggestellt ab. Bis dahin habe ich noch …«, ich sehe auf die alte Uhr über dem Kamin, »… fünfundzwanzig Stunden. Und die Knightleys sparen fünfzehn Prozent beim Preis.« Weil ich eine Zeile auf der Grabplatte sparen kann. James wirkt irgendwie erleichtert. Kopfschüttelnd steht er auf und erkundigt sich nach einem Gästezimmer. Ich führe ihn in das einzig Beziehbare und erzähle ihm, es sei das schönste im Haus. Es blitzt dämonisch, die Fenster klirren leise im Wehklagen des stetigen Windes.
    »Sauwetter«, murrt James. Er ahmt mit seinen langen Fingern zwei imaginäre Spinnen nach und fuchtelt mir damit im Gesicht herum, während er mit den Augen rollt. »Gute Naaachchchtttt …«, haucht er mit der Stimme eines tattrigen Zombies und zieht sich langsam zurück.
    Als die Tür ins Schloss fällt, atme ich meine Anspannung aus. Ich mag keine unangemeldeten Besucher. Eigentlich gar keine Besucher, und schon gar nicht, wenn sie

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