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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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lächelt. Ich lege den Schauerroman neben mich und frage sie, wie es ihr geht.
    »Mir ist etwas schlecht. Er war einfach viel zu voll. Ich hätte es nicht unterschätzen sollen. Aber das war es wert«, sagt sie leise.
    Ich knöpfe meine Weste auf, so dass sie ungestört tun kann, wozu sie Lust hat. Denn es wird das letzte Mal für mich sein, in diesem Zustand.
    Stattdessen beginnt sie wieder zu reden. »Was jetzt? Werden wir zusammen glücklich bis ans Ende unserer Tage?«, fragt sie, hoffentlich mehr sich selbst als mich, denn ich kenne keine Antwort. »Oder ist es zu blauäugig, so etwas wie perfektes Glück zu erwarten?«
    »Vielleicht. Aus welchem Grund aber sollten wir dieses Glück nicht haben?«
    Sie zögert.
    »Weil … man hat es einfach nicht. Wie du weißt, bin ich bei weitem nicht perfekt.«
    »Wunderbar. Ich auch nicht. Lass uns ganz imperfekt glücklich werden.«
    Ihr Schweigen wird immer schwerer. Ich ahne, dass ihr etwas auf der Seele lastet, und warte geduldig, bis sie mit der Sprache herausrückt.
    »Willst du diesen Preis wirklich zahlen, Harris? Du kennst deinen Einsatz. Willst du das denn wirklich?«
    Und ob. Die Rolle von James geht auf mich über. Ich nehme sie an und bin daher nicht nur Geliebter, sondern unendlich viel mehr. Ich bin ihr Lebenselixier. Dafür wird sie meine Muse, meine Erfüllung. Ich betrachte diese Schönheit in meinem Schoß. Momentan bin ich geneigt, ausnahmslos alles zu versprechen, wenn sie nur zu mir gehört. Zu mir allein.
    »Jeden«, antworte ich daher. Und es klingt richtig.
    Sie nickt wie nach einem Geschäftsbeschluss. »Dann ist es gut.«
    Ich lege ihre Hand an mein wie wild hämmerndes Herz. Dann treiben wir beide in unseren Gedanken. Seit einiger Zeit denke auch ich, dass wir das perfekte Paar werden können. Ich wünsche mir etwas für mein zukünftiges Leben. Ich wünsche mir sehnlichst, dass ich dann gütig bin. Liebevoll. Einer der Guten. Ich will ein glücklicher Mensch sein. So bedaure ich es bereits zutiefst, falls ich sie auch dann wieder mit meinen Unzulänglichkeiten enttäuschen muss.
    Wir sitzen uns gegenüber. Rachelle packt ungeduldig meine Hände, schüttelt sie, als wolle sie sie auswringen.
    »Ich bin mir aber nicht mehr sicher!«, insistiere ich erneut, bestimmt zum dreitausendsten Mal in den letzten Minuten. Ihren stahlgrauen Blick spüre ich genau, auch durch meine fest verschlossenen Lider. Sie seufzt - genervt. Wie ich es hasse, wenn Menschen so etwas tun! Die fiktive Hilflosigkeit allem gegenüber, das so dumm erscheint im Gegenlicht ihres eigenen, völlig überschätzten Intellektes.
    »Schau«, sagt sie, und die Sanftheit ihrer Stimme widerspricht drastisch dem eisigen Stachel ihrer Augen und den harten Linien ihres zusammengekniffenen Mundes. »Du kannst es alles beenden noch ehe es seinen schrecklichen Anfang nimmt.«
    Ich schüttle feige den Kopf. Wie soll ich glauben, dass unser Plan aufgeht? Dass ich zu uninteressant für die Hölle werde, indem ich meine Vergangenheit einbüße? Bei meinem Glück? Im Leben nicht. Ihr Versprechen, dass alles reibungslos verlaufen wird, schmeckt bitter zwischen meinen Zähnen.
    Rachelle legt ihr Gesicht an meines. »Du bist doch ein stolzer Mann, mein Herz. Es ist doch keine Schande, um seine Zukunft zu kämpfen - sich kampflos unterjochen zu lassen, allerdings schon.«
    Ich hebe den Blick. Sie kauert vor mir, wie ein dämonischer Psychologe, der seinen Patienten zum Selbstmord drängen will, um aus dieser bösartigen Welt mit ihren Prüfungen und Fallen auszubrechen. Licht und Schatten. Erleichterung und Düsternis. Vergessen und Vergehen. Freiheit und Verdammnis.
    »Wenn wir in unserer Seele wühlen, so wühlen wir bisweilen das hervor, was dort unbemerkt liegen geblieben wäre.«
    Tolstoj geistert durch mein Hirn und verwirrt mich unnötig. Was will ich? Und wie unbedingt will ich es? Verdammt, ich will es zu sehr!
    Ich bin mir jetzt sicher. Todsicher.
    Ein paar Tollkirschen haben wir bei ›Planten un Blomen‹ ergattert. Wie unvorsichtig, mag man sich jetzt denken. Dass wir mit Vorsatz handeln und bewusst mit dem Feuer spielen, können sie schließlich nicht ahnen. Wir rühren eine feine Masse aus den gewaschenen Beeren an, die ich zur Sicherheit mit etwas Alkohol versetze. Da man nie wissen kann, beziehungsweise bei meiner bisherigen Erfahrung am besten einen draufsetzen sollte, schlucke ich die ekelhafte Masse und spüre noch den sanften Strom des Elektroschockers, den meine blutdurstige

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