KALTHERZ
in einer entfernten Zukunft. Katja war jetzt 31. Noch kein Grund, in Panik zu ve r fallen. Sie hatte noch viel Zeit, ein Kind in die Welt zu setzen. Sie schüttelte ihre G e danken ab und konzentrierte sich auf ihre Einkäufe.
Als Jochen nach Hause kam, briet Katja Hac k fleisch an. Sie hatte viel frisches Gemüse ei n gekauft und wollte eine kräftige Rat a touille machen. Beim Kochen konnte sie oft am besten nachdenken. Jochen kam in die Küche, gab ihr einen Kuss und zeigte seine B e geisterung, gleich ein gutes Essen zu bekommen.
„Ich mache uns einen schönen Rotwein dazu auf.“ Er suchte im Weinregal.
„Was hältst du von dem Lagrein aus Südtirol? Oder magst du lieber einen Merlot?“
Sie einigten sich auf den kräftigen Lagrein, den sie im Urlaub vor einigen Jahren in Meran probiert und seitdem regelmäßig nachbestellt hatten. Katja freute sich auf einen gemütlichen Abend. Sie hatten wenig Zeit füreinander g e funden in den vergangenen Tagen.
„Wir haben sowieso etwas zu feiern“, begann Jochen geheimnisvoll.
„Was ist, spann’ mich nicht auf die Folter.“
„Sie suchen einen neuen Mitarbeiter für das Ressort Wirtschaft und Politik bei uns, und...“
„...und du bekommst den Job?“
„Nicht so schnell. Sie schicken mich nach Straßburg. Ich soll mir die Debatten anhören, mich ein bisschen schlau machen und einen B e richt über die neue EU-Kommission schreiben. Über den Job wird erst in ein bis zwei Monaten entschieden. Aber ich habe gute Chancen, hat mir mein Chef gesagt. Endlich komme ich meinem Ziel ein Stück näher.“
Katja freute sich ehrlich mit Jochen und behielt ihre B e denken für sich, wie die Entscheidung über die Stelle n besetzung in zwei Monaten wirklich aussehen würde. Sie redeten noch eine Weile über die Zeitung, dabei schweiften Katjas G e danken immer wieder ab zu den Fotos, die sie sich noch mal in Ruhe anschauen wollte.
„Du warst auf dem Hof einkaufen?“, fragte Jochen g e rade. „Hast du meine Schokolade mitgebracht?“ Er liebte eine besondere Sorte weiße Schokolade mit Vanille, die es nur dort gab und die wirklich ei n malig gut schmeckte. Aber an die hatte Katja nicht gedacht.
„Hätten wir Kinder, hätte ich sicher immer Schokolade im Haus“, antwortete sie lachend. „Wie sieht’s damit übe r haupt aus, wann wollen wir die Familienplanung mal in Angriff nehmen?“
Jochen stutze ein bisschen, und grinste dann breit.
„Möchtest du heute Abend damit anfangen?“ Er rutsc h te zu ihr hinüber und küsste sie auf den Hals.
„Die Frage war ernst gemeint. Und was wäre, wenn wir ein behindertes Kind b e kämen?“
„Mein Gott Katja, du warst zu oft bei deinen ...“, er z ö gerte und fuhr dann fort „deinen Mongos, ja ich weiß, der Ausdruck ist politisch u n korrekt, sag ich sonst ja auch nicht. Aber was soll denn die Frage, man muss doch heu t zutage kein b e hindertes Kind mehr bekommen.“
„Du meinst Abtreibung.“
„Ja, natürlich meine ich das.“
„Du hast keine Ahnung.“ Katja war heftig geworden. „Es sind Menschen wie jeder andere Mensch auch. Es sind sogar besonders li e benswerte Menschen.“
„Wenn du ein behindertes Kind großziehen willst, dann nur zu, ich brauche so was nicht.“ Jochen stand auf und schob seinen Stuhl he f tig nach hinten.
„Schade um den schönen Abend.“ Damit verschwand er ins Bad.
In Katja krampfte sich alles zusammen. Es war schade um den sch ö nen Abend, aber viel schlimmer wog Jochens Aussage über die „Mongos“.
Kapitel 21
Jochen hatte das Haus am Morgen grußlos verlassen und Katja kam wie gerädert und deprimiert im Polize i präsidium an. Sie suchte zuerst den Polizeips y chologen auf, gab ihm die Bilder von Lothar Meyer und einen kurzen B e richt dazu. Er war ein junger sympathischer Mann, sie kannten sich nur vom Sehen. Der Psychologe versprach Katja, ihr möglichst bald sein Urteil über die Bilder mitz u teilen.
Auf dem Weg in ihr Büro kam ihr Pfaff en t gegen.
„Wir haben die Bänder aus der U-Bahn bekommen, rate mal, wen Fischer darauf entdeckt hat?“
Katjas Bedarf an Überraschungen war gedeckt. Sie wol l te heute einfach nur in Ruhe an ihrem Schreibtisch arbe i ten, ohne mit irgend j e mandem groß reden zu müssen.
„Wen?“, fragte sie pflichtgemäß.
„Oh, du bist aber schräg drauf heute.“
Pfaff kannte sie schon ganz gut mittlerweile, stellte Ka t ja fest und riss sich z u sammen.
„Okay, wen habt ihr also
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