Kaltherzig
unangenehmen Gedanken zu verscheuchen.
»Sagen Sie es einfach. Vielleicht ist es nichts, aber vielleicht ist was dran.«
»Es gibt da so einen Typen, dem wir ständig begegnen. Irina tanzt mit ihm... führt ihn ein bisschen an der Nase herum... Er will immer, dass sie mit ihm kommt, aber sie tut es nie.«
»Und Samstagabend?«
»Er hat ihr ein Schimpfwort nachgerufen. Wir waren gerade am Gehen. Irina hat ihn ausgelacht. Er ist uns aber nicht gefolgt oder so.«
»Wie hat er sie genannt?«
»Er sagte zu Irina, sie solle mit ihm reiten gehen. Sie sagte, er meinte wohl, auf ihm reiten, und sie sei an Ponyreiten nicht interessiert.«
»Und er sagte?«
»›Du blöde russische Fotze‹, verzeihen Sie den Ausdruck. Irina lachte nur und warf ihm eine Kusshand zu.«
»Wie heißt er?«
»Brad noch was. Ich weiß es nicht. Er hatte kein Interesse an mir und ich keins an ihm.«
»In welchem Club war das?«
Sie rieb sich das Gesicht und zuckte mit den Achseln. »Im Monsoon, vielleicht... oder im Deuce. Ich weiß es nicht mehr.«
»Und nachdem ihr euch in den Clubs amüsiert hattet...?«
»Wir sind nach Wellington zurückgefahren und waren eine Weile im Players. Mr. Brody hatte Geburtstag. Es waren eine Menge Leute da. Ich bin um ein Uhr gegangen.«
»Und Irina?«
»Die war noch da.«
»Mit irgendwem?«
»Mit niemand Bestimmtem.«
»Und niemand beachtete sie besonders?«
Das Mädchen lachte, aber neue Tränen stiegen ihr in die Augen. »Alle beachteten Irina. Alle Männer. «
Dann fiel ihr etwas ein. »Warten Sie«, sagte sie, wühlte in einer anderen Tasche ihrer Hose und zog ein Handy heraus. »Ich habe ein paar Bilder gemacht.«
Sie rief die Bilder auf, ließ ein paar durchlaufen und stoppte dann bei einem. »Das ist der Typ. Brad.«
Das Foto war schief und die Beleuchtung nicht toll, aber ich konnte sein Gesicht erkennen. Ein gut aussehender Bursche mit dem verzogenen Ausdruck einer privilegierten Jugend.
»Kann ich das an mein Handy schicken?«, fragte ich.
»Sicher«, sagte sie und gab mir das Gerät. »Da sind noch mehr drauf.«
Ich ging sie durch. Irina beim Tanzen. Irina mit einem anderen Mädchen lachend. »Wer ist die?«
»Rebecca irgendwas. Sie ist Privatlehrerin bei der Kleinen von Sebastian Foster.«
Sebastian Foster war in jungen Jahren ein Ausnahmetennisspieler gewesen. Das Wunder von Down Under - wilde, blonde Mähne, braungebrannt, flink wie eine Katze, harter Aufschlag -, bis seine Schulter nicht mehr mitspielte. In der Zeitschrift Wellington Lifestyles hatte ich gelesen, dass er in Wellington überwinterte, damit seine Tochter die Schule größtenteils auslassen konnte, um stattdessen in Pferdeschauen zu reiten.
Ich kannte ein solches Leben aus erster Hand. Meine Mutter hatte mich mehr als einen Winter aus der Schule genommen und nach Wellington gebracht, damit ich reiten und an Vorführungen teilnehmen konnte, denn das war anscheinend die einzige Aktivität, die mich davon abhielt, Ärger zu machen. Ich hatte meinen Privatlehrer routinemäßig bestochen, damit ich nichts tun musste. Mathe? Wozu sollte ich das je brauchen?
Ich klickte zu einem neuen Foto. Ausgelassenes Feiern im Players, einem Restaurant und Club direkt vor der Gated Community des Palm Beach Polo and Golf. Wie die meisten Lokale war Players den ganzen Winter über rappelvoll mit Leuten aus der Reiterszene. Players war der Laden, wo hübsche junge Pferdepflegerinnen und Reiterinnen gern einen draufmachten. Es war daher keine Überraschung, dass viele reiche Gentlemen hingingen, um die
hübschen jungen Dinger zu begaffen, die gerade mal halb so alt waren wie sie selbst.
»Wer ist das hier?«, fragte ich.
Lisbeth besah sich das Foto. »Sie machen Witze, oder? Das ist Barbaro. Juan Barbaro, der Polospieler.«
»Ich verfolge kein Polo«, gab ich zu.
»Er ist ein Zehn-Tore-Spieler. Der beste Spieler der Welt.«
Und er sah umwerfend aus. Dichtes schwarzes Haar, dunkle Augen, die voller Selbstbewusstsein und sexueller Energie direkt aus dem Foto zu blicken schienen. Adonis musste ausgesehen haben wie dieser Typ.
»Er reitet für uns«, sagte Lisbeth. »Für Star Polo.«
Ich zweifelte nicht daran, dass Juan Barbaro eine Menge ritt, und nicht nur Pferde. Dem Kerl warfen die Weiber wahrscheinlich ihre Höschen aufs Spielfeld.
Neben ihm stand auf dem nächsten Foto Jim Brody und hatte den Arm um Irina gelegt, die jung genug war, um seine Enkelin sein zu können.
Und von Irinas anderer Seite blickte mir ein Gesicht
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