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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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etwas getrunken.«
    »Mit jemand Bestimmtem?«
    »Mir gefallen diese ganzen Fragen nicht«, sagte sie. »Es geht Sie nichts an, was wir getan haben.«
    Sie machte das Pferd aus der Halterung los und führte es zum Stall zurück. Ich folgte ihr.
    »Ich mache es aber zu meiner Angelegenheit, Lisbeth«, sagte ich.
    Sie stellte das Pferd in der Box ab und hantierte am Türriegel herum.
    »Haben Sie seit Samstagabend etwas von ihr gehört oder gesehen?«, fragte ich.
    »Nein. Sie machen mir Angst.«
    »Manchmal habe ich diese Wirkung.«
    »Ich wünschte, Sie würden gehen.«
    Sie wusste, dass etwas Schlimmes kommen würde. Sie wollte, dass ich wegging, ehe ich diese böse Sache erzählte. Dann würde sie vielleicht nicht wirklich existieren und ihr Leben nicht berühren. Ach, zwanzig sein und noch an Unschuld glauben können!
    »Lisbeth«, sagte ich.
    Sie sah mich nicht an. Sie schien sich zu wappnen. Halb
erwartete ich, sie würde sich die Finger in die Ohren stecken.
    »Irina ist tot. Ihre Leiche wurde heute Morgen in einem Kanal gefunden.«
    Die großen Kornblumenaugen wurden glasig vor Tränen. »Sie lügen! Was für ein kranker Mensch sind Sie?«
    Aus den Augenwinkeln sah ich, dass einer der Stallburschen stirnrunzelnd herübersah. Er machte sich mit einer Mistgabel in der Hand auf den Weg zu uns.
    Ich drehte mich zu ihm um und erklärte ihm auf Spanisch, dass alles in Ordnung sei, dass ich aber Lisbeth eine sehr traurige Nachricht überbracht hätte. Vom Tod einer Freundin.
    Seine aggressive Haltung verschwand, er entschuldigte sich und kehrte zu seiner Arbeit zurück.
    »Es tut mir leid, Lisbeth«, sagte ich. »Es ist wahr. Und es gibt keine angenehme oder schonende Art, es zu sagen.«
    Das Mädchen schlug die Hände vors Gesicht und glitt mit dem Rücken zur Boxentür auf den Boden. »Nein«, sagte sie schluchzend und kraftlos, »nein, Sie irren sich.«
    »Ich irre mich nicht. Ich wünschte, es wäre so, aber es stimmt.«
    »O mein Gott!«
    Ich kauerte mich neben sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es tut mir sehr leid. Standet ihr beide euch nahe?«
    Sie nickte und schniefte in ihre Hände, bis sie würgte.
    »Können wir uns irgendwo setzen?«, fragte ich leise.
    Sie nickte wieder, holte einen schmutzigen Fetzen aus der Beintasche ihrer Hose, wischte sich das Gesicht ab und schnäuzte sich. Sie hielt sich an meinem Arm fest, als wir
aufstanden. Sie fühlte sich schwach und zittrig an wie ein älterer Mensch bei schlechter Gesundheit.
    »Was ist passiert«, fragte sie und stieß zwischen den Silben auf. »Ist sie von der Straße abgekommen? Sie ist eine grauenhafte Fahrerin.«
    »Nein«, antwortete ich und sagte nichts mehr, bis wir auf einer Bank am anderen Ende des Stalls saßen.
    »Es ist nicht klar, was passiert ist«, sagte ich. »Von ihrem Wagen war nichts zu sehen.«
    Das Mädchen sah mich verwirrt an. »Ich verstehe nicht.«
    »Ihre Leiche wurde in den Kanal geworfen. Sie wurde wahrscheinlich ermordet.«
    Ich befürchtete, sie könnte ohnmächtig werden, so blass war sie. Aber sie stand auf, rannte aus dem Stall und kotzte. Ich wartete, ich fühlte mich leer und ausgepumpt, nachdem ich es ihr erzählt hatte und weil ich, indem ich es erzählte, den schrecklichen Moment des Fundes noch einmal durchlebte.
    Als sie zurückkam und sich wieder setzte, stützte sie den Kopf in die Hände. Sie zitterte sichtbar.
    »Ich kann das alles nicht glauben!«
    »Ich auch nicht«, erwiderte ich.
    »Wie kann so etwas geschehen?«
    Ich hätte ihr erzählen können, dass das Leben grausam und unberechenbar ist, aber das hatte sie gerade von allein herausgefunden.
    »Lisbeth, ich muss alles wissen, was am Samstagabend passiert ist.«
    »Wir waren in ein paar Clubs auf der Clematis. Haben was getrunken, getanzt.«

    »Waren Männer mit dabei?«
    »Natürlich. Wir haben diesen Wettbewerb laufen... wer von uns die meisten Drinks spendiert kriegt.«
    »Haben welche von den Männern gedacht, sie müssten eine Gegenleistung bekommen?«
    »Na, alle«, sagte sie matt. »Es sind schließlich Männer.«
    »War Irina an einem interessiert?«
    »Nein. ›Jungs‹, sagte sie immer und verzog das Gesicht. Sie vergeudete ihre Zeit nicht mit Jungs.«
    »Haben welche von ihnen diese Nachricht schlecht aufgenommen?«
    »Na, alle«, wiederholte sie. »Männer eben.«
    »Ich meine einen, der richtig sauer war, vielleicht gedroht hat, bei dem euch nicht wohl war.«
    »Nein. Na ja...« Sie schüttelte den Kopf, als versuchte sie, einen

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