Kampf der Gefuehle
Mann, dem jede Bewegung Schmerzen bereitete, in der Lage war, mit einer Frau ins Bett zu gehen.
Das ging nicht. Oder?
Sie musste an etwas anderes denken, bevor er ihr auf die Schliche kam und ihre Gedanken erriet, auf diese enervierende Weise, die ihm zu eigen war. Außerdem war es besser, wenn sie ihren Blick unter Kontrolle hielt, den sie viel zu oft über seinen flachen, von Brokat bedeckten Bauch schweifen ließ.
»Ihr Akzent und Ihre Ansichten sind so ungemein englisch«, sagte sie, um das Thema zu wechseln. »Was hat Sie eigentlich nach New Orleans geführt?«
»Ich habe hier einen Bruder, wenn ich Sie daran erinnern darf.«
»Ach ja.« Nicholas Pasquale war sein Halbbruder. Das hatte sie fast vergessen. Sie hielt es für nicht ganz ausgeschlossen, dass Gavins Einstellung gegenüber Liebesaffären zumindest zum Teil auf den diesbezüglichen Leichtsinn seines Vaters zurückzuführen war. »Sie haben ihn besucht.«
»Meine Reisen führten mich in sein Geburtsland, wobei ich einem Gerücht gefolgt bin, dass es ihn gibt. Schließlich bin ich hier gelandet.«
»Was ist mit Ihren anderen Reisen? Ich meine, sehr alt können Sie doch nicht gewesen sein, als Sie Ihren Großvater verließen. Andernfalls hätte man doch nicht von Ihnen erwartet, einen jüngeren Bruder zu beaufsichtigen. Wohin sind Sie von dort gegangen?«
»Zuerst nach London, dann nach Paris, Wiesbaden, Wien und schließlich nach Rom und Rhodos, um danach hierherzukommen. Es war eine Grand Tour, wenn Sie so wollen, nur dass sie länger dauerte als sonst üblich.«
»Wenn Sie die Mittel zum Reisen hatten, kann das Exil ja nicht ganz so schlimm gewesen sein.«
»Obwohl mein Großvater Thomas bevorzugte, den er als zukünftigen Erben seines Titels für einen Ausbund an Ehrenhaftigkeit hielt, war er nicht so herzlos, mich ohne einen Shilling fortzuschicken. Jüngere Söhne werden gewöhnlich dazu angehalten, Pfarrer zu werden oder in die Streitkräfte einzutreten, müssen Sie wissen. Deshalb wurde ein Offizierspatent für mich gekauft. Mein Vater sorgte in einem verspäteten Anlall von Verantwortungsbewusstsein dafür, dass ich einen Zeremonialposten in der Garde der Königin bekam. Es langweilte mich jedoch zu Tode, mit einer Bärenfellmütze und polierten Stiefeln durch London zu traben und Paraden zu reiten. Deshalb habe ich mein Offizierspatent verkauft und mit dem Erlös meine Reisen finanziert.«
»Zumindest wurden Sie nicht völlig im Stich gelassen.«
»Nein, obwohl die Großzügigkeit meiner Familie möglicherweise darauf zurückzuführen war, dass sie
die Wahrheit ahnte. Ich hätte es vorgezogen, wenn man mich von der Schuld freigesprochen hätte.«
»Ja, das hätte jeder«, erwiderte sie. »Sie waren in Paris. Es hätte passieren können, dass wir uns dort begegnen.«
»Unwahrscheinlich.« Seine Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln. »Ich hatte kaum Umgang mit den respektablen Einwohnern der Stadt.«
»Mit der Bourgeoisie, meinen Sie.«
»Ja. Das sollte keine herabsetzende Bemerkung sein. Ich wollte damit lediglich zu verstehen geben, dass ich mich nicht in gehobeneren Kreisen bewegte.«
Diese Aussage ließ sie auf sich beruhen. »Vermutlich haben Sie dort auch Ihre Fähigkeiten im Fechten vervollkommnet.«
Er deutete ein Lächeln an. »Nicht, indem ich mich mit unverhohlen arroganten Leuten geschlagen habe, obwohl ich oft in Versuchung geriet.«
»Aber in den salles d'armes ?«
»Dort und anderswo, vornehmlich in Italien, wo die Kunst des Fechtens ihren Ursprung hat.«
»Ich habe mich schon gefragt, wie Sie das Können erworben haben, das erforderlich ist, um hier einen sahn d'assaut aufzumachen.«
»Eigentlich war das eher ein Zufall, bedingt durch Langeweile und Tollkühnheit. Als Zeitvertreib zwischen Ausschweifungen unterschiedlichster Art hatte das Hantieren mit einem Degen mehr Reiz als das Glücksspiel.«
Wieder einmal versuchte er, sie durch schockierende Behauptungen abzuschrecken. Zumindest hielt sie sie für übertrieben. »Und schließlich kamen Sie nach New
Orleans, wo Sie sich einem kleinen, exklusiven Kreis von Männern anschlossen.«
»Wenn Sie damit die maitres d'armes meinen, ja.«
Er machte Anstalten, nach der Weinkaraffe zu greifen, hielt aber mit schmerzverzerrtem Gesicht inne. Sie gebot ihm mit einer Geste Einhalt, beugte sich vor und goss ihm Weißwein in ein Kristallglas. Als sie ihm das Glas reichte, berührte sie seine Hand mit den Fingern ihrer freien Hand, um sicherzugehen, dass
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