Kampf der Gefuehle
er das Glas fest in der Hand hielt, bevor sie losließ.
Seine Haut war ganz warm, und die goldenen Härchen an seinen Fingern fassten sich starr und gleichzeitig seidig an, während sie die Schwielen an seinen Fingern sowohl faszinierend als auch abstoßend fand. Fast konnte sie das Brodeln seines Bluts fühlen, vermochte sie zu spüren, wie der Rhythmus seines Bluts sich änderte und gegen den Puls in ihren eigenen Fingern klopfte. Wie erstarrt saß sie da, von unbändigem Verlangen überkommen. Sie sah ihn unverwandt an und verlor sich in den kristallblauen Tiefen seiner Augen.
Er war so anders als jeder Mann, dem sie je begegnet war, so verborgen hinter einer Barrikade aus Worten und Attitüden, so gepanzert durch sein Geschick im Umgang mit Waffen und seine überragende Intelligenz, dass es unmöglich war, festzustellen, wer oder was er im tiefsten Innern war. Und dennoch war er da, wie ein Drache in seiner Burg, wie ein Tier in seiner Höhle. Er war da, und er lud sie ein hereinzukommen. Die Frage war, ob sie hereinkommen sollte, um beschützt oder um verschlungen zu werden.
Ein Kältegefühl lief ihr über den Rücken und breitete sich bis zu ihrem Magen aus. Sie ließ das Kristallglas los und zog die Hand zurück. Es erleichterte sie, dass sein Griff so fest war, dass es zu keinem Unfall mit dem Wein kam. Überdies fand sie es seltsam erfreulich zuzusehen, wie er seinen Wein trank und sich anschließend den Speisen zuwandte, die sie ihm auf den Teller gelegt hatte.
Was war mit ihr los, dass ihr das so am Herzen lag?
Mit leicht zittrigen Händen goss sie Wein in das zweite Glas und führte es an die Lippen. Es war ein exzellenter Jahrgang, was in Anbetracht von Maurelles gut sortiertem Weinkeller nicht anders zu erwarten war, doch im Moment bedurfte Ariadne eher der kräftigenden Wirkung des Weins.
Um ihre Verwirrung zu überspielen, griff sie nach einem Hühnchenflügel. Während sie schweigend aßen, drang aus dem Esszimmer Stimmengemurmel an Ariadnes Ohr, was darauf schließen ließ, dass sich noch andere Personen zu Maurelle und Nathaniel gesellt hatten.
Bevor die Stille zu unbehaglich wurde, machte Ariadne eine Bemerkung, die zwar ziemlich unverfänglich war, aber ergiebig sein konnte. »Man hört seit einiger Zeit viel von einer Bruderschaft unter den Fechtmeistern.«
»Man hört eine Menge.«
»Aber Sie stehen sich sehr nahe, nicht wahr, besonders diejenigen von Ihnen, die Maurelles Freunde sind.«
»Wir bilden eine kleine Clique, einen Kreis innerhalb des größeren Kreises der im Vieux Carre herrschenden Gesellschaftsordnung. Wie Madame Zoe Ihnen ja erzählt hat, ist es Lisette, Caids Frau, die dafür sorgt. Wenn wir in irgendeinem Sinne des Wortes Brüder sind, dann ist sie der Grund dafür.« »Das hört sich an, als erfreue sie sich besonderer Zuneigung.«
»Das tut sie in der Tat. Caid hat mit der Dame, die er zur Frau genommen hat, eine äußerst glückliche Wahl getroffen, obwohl ich dasselbe über Nicholas sagen könnte oder über seinen Freund Rio de Silva, den Vierten in unserem Bunde.«
»Aber Sie trachten nicht danach, ihnen nachzueifern.«
»Sehr nachlässig von mir, was?«
»Warum sagen Sie das?«
»Weil alle, die ich gerade erwähnt habe, es mir mit schöner Regelmäßigkeit sagen. Offenbar erwarten glücklich verheiratete Leute, dass all ihre Freunde ebenfalls in den Stand der Ehe treten.« Nachdem er einen Schluck Wein getrunken hatte, saß er da und starrte ins Glas. »Wie steht es mit Ihnen? Spielen Sie mit dem Gedanken, erneut zu heiraten?«
»Im Moment nicht.«
»Aber eines Tages werden Sie es tun, möglicherweise vor allem deshalb, um Kinder zu bekommen.«
»Es kommt mir seltsam vor, einen Mann um seines Samens willen zu heiraten.«
»Nicht seltsamer, als eine Frau zu heiraten, um sich ihres Schoßes zu bedienen.«
Sie zuckte leicht zusammen. »Gehe ich recht in der Annahme, dass in Ihrem Beisein jemand von meiner Ehe gesprochen hat?«
»En passant .«
Was meinte er denn damit? Nichts in seinem Gesicht gab ihr irgendeinen Anhaltspunkt, der es ihr ermöglicht hätte, hinter den Sinn seiner Worte zu kommen. »Ich werde Sie zwar nicht fragen, wer das gewesen sein mag, muss aber sagen, dass jemand, der nicht auf intime Weise involviert ist, keine Ahnung davon hat, was zwischen Ehemann und Ehefrau vor sich geht.«
Er betrachtete sie einen ausgedehnten Moment lang. »Oh, das gebe ich durchaus zu«, entgegnete er. »Schließlich haben wir alle unsere
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