Kampf der Gefuehle
er nicht wirklich Ernst machte. Kurz empfand sie Bedauern, weil alles hier enden musste — der Unterricht, ihre Streitereien mit ihm, das Aufeinanderprallen von Temperamenten und gehärtetem Stahl.
Sie bemerkte, dass er die Stirn runzelte, und war sich ziemlich sicher, dass das nicht nur geschah, weil er sich konzentrierte. Sie musste bald handeln. Er war weit davon entfernt, beschränkt zu sein, und vermochte sie viel zu gut zu durchschauen. Sorgfältig einen geeigneten Moment abpassend, ging sie plötzlich zum Angriff über, um dann, als er eine Parade ausführte, ihrerseits zu zögern und in der Verteidigung lax zu werden, gerade als sie durch eine besonders schnelle und prägnante Parade zurückgetrieben wurde. Wie ein silberner Blitz kam seine Klinge auf sie zu, bohrte sich in den Batist ihres Nachthemds und verfehlte nur knapp ihre Hüfte.
Er stieß einen Fluch aus. »Verdammt noch mal, was soll denn das? Ich hätte Sie aufschlitzen können.«
In gewisser Weise stimmte das. Wenn seine Reaktionen langsamer gewesen wären, wenn er sein Handgelenk nicht so flink zu drehen vermocht hätte, hätte er ihr in der Tat Schaden zufügen können. »Wie? Haben Sie etwas dagegen, dass man Ihnen einen Treffer zugesteht? In Anbetracht der Treffer, die Sie mir zugestanden haben, schien mir das nur fair.«
»Sie glauben, dass ich mich bewusst zurückgehalten habe.«
»Ich weiß es.«
»Dann nehmen Sie sich in Acht, ma belle .«
Das war doch das, was sie wollte, oder etwa nicht? Sie hätte froh darüber sein müssen. Stattdessen durchrieselte sie innerlich eine plötzliche Kälte, die nicht so recht zu ihrer hektischen Erregung passen wollte. Seine Augen zeigten ein eisiges Funkeln, sein Mund war auf strenge und abweisende Art zusammengepresst. Welches Spielchen auch immer er gespielt hatte, jetzt spielte er nicht mehr.
Laut klirrend trafen ihre Klingen aufeinander, wieder und wieder, so dass ein Funkenregen niederging. Binnen weniger Sekunden war Ariadnes Stirn feucht vor Schweiß, und sie spürte, wie zwischen ihren Brüsten ein Rinnsal entlangfloss. Von der Wucht seiner Schläge war ihr Handgelenk ganz taub, während ihre Armmuskeln kribbelten und anfingen zu brennen. Sie atmete stoßweise und ächzte vor Anstrengung, aber das war ihr egal. Das war ein richtiges Duell, das sie voll und ganz auskostete. Er hielt sich in keiner Weise mehr zurück, und es war ein wahres Wunder, dass sie es schaffte, ihm Paroli zu bieten, seine Angriffe zu erwidern und ihn mit ein oder zwei überraschenden Drehungen des Handgelenks zu zwingen, vorübergehend zurückzuweichen.
Das Tempo war unglaublich schnell, so dass wenig Zeit zum Überlegen blieb. Es war ein Kampf, bei dem kein Pardon gegeben wurde, ein Kampf der Nerven und des Willens und der Intentionen, die durch nichts zu erschüttern waren. Sie führte eine Riposte aus, wurde jedoch sofort zurückgetrieben und war gezwungen, sich atemlos zu verteidigen. Kurz darauf hörte sie, wie Stoff riss, und spürte, wie es ihr um die Waden kühl wurde. Unverzüglich trat er zurück und nahm Aufstellung, um abzuwarten, was sie als Nächstes tun würde.
Ariadne schaute nach unten. Sie konnte ihre in weichen Hausschuhen steckenden Füße sehen, da der mit schwarzer Spitze besetzte Saum ihres Nachthemds in Kniehöhe abgeschnitten worden war, so sauber wie mit einer Schneiderschere.
War diese Schändung eine Vergeltungsmaßnahme oder eine Warnung? Oder wollte er vielleicht nur sicherstellen, dass sie sich diesmal nicht auf den Saum trat? Sie vermochte es nicht festzustellen, obwohl sie aufblickte und ihren Gegner einen ausgedehnten Moment lang anstarrte. Seine Augen waren völlig ausdruckslos. Es war, als hätte er sich vor ihr zurückgezogen, als hätte er sich aus dem Schlafzimmer und vor dem, was er darin tat und was von ihm erwartet wurde, abgewandt.
Blickte er so drein, wenn er auf dem Duellplatz einem Gegner gegenüberstand? Zog er sich dann auch in sich selbst zurück, um sich gegen das, was er zu tun gezwungen war, abzuschotten?
Gezwungen. Warum hatte sie das eben so formuliert?
Abrupt kam ihr zu Bewusstsein, dass er seinen Bericht über das Duell mit Francis nicht beendet hatte. Offenbar wollte er nicht daran zurückdenken, was an jenem verhängnisvollen Morgen geschehen war. Das machte sie nur umso entschlossener, so viel wie möglich aus ihm herauszubekommen.
Mt fest aufeinandergepressten Lippen und zusammengekniffen Augen nahm sie die Ausgangsstellung ein, um ihn gleich darauf
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