Kampf der Gefuehle
hervorzurufen.«
»Sie dachten, es würde mir leidtun, Sie zu verletzen.« Sie erhob sich und bedeutete ihm mit einer Bewegung ihres Rapiers, ebenfalls aufzustehen.
Mit lässiger Anmut gehorchte er und folgte ihr, als sie zum Fußende des Bettes ging, wo mehr Platz war. »Die Hoffnung, so heißt es, ist etwas, das nie versiegt«, erwiderte er mit leicht ironischem Lächeln. »Ich war so optimistisch anzunehmen, dass Sie sich vielleicht anders besinnen würden.«
Was sie zu einem bestimmten Zeitpunkt fast getan hätte. Das war ein Moment der Schwäche, von dem er nie etwas erfahren durfte. »Oder so arrogant?«
»Ich glaube, ich habe Ihnen schon erklärt, welche Qualen die Reue mit sich bringt«, fuhr er fort, als mache ihm ihre Beleidigung nichts aus. »Ich hielt es für besser, wenn es Ihnen erspart bleiben würde, diese Last ebenfalls zu tragen.«
»Ebenfalls zu tragen?«
»Es liegt einem schwer auf dem Gewissen, wenn man für den Tod eines Menschen verantwortlich ist. Der Tod Ihres Bruders liegt mir auf dem Gewissen. Ich glaube, der meine würde Ihnen ebenfalls auf dem Gewissen liegen. Nicht als persönlicher Verlust, darüber bin ich mir im Klaren, sondern weil die letzten Momente selbst der niedrigsten Kreatur uns berühren, erinnern sie uns doch daran, dass eines Tages auch wir sterben müssen.«
»Sie haben ihn getötet.« Die Worte kamen wie eine Anklage aus ihrem Mund. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, so unverblümt zu sein, aber der Gedanke beschäftigte sie schon zu lange, als dass sie es weniger deutlich hätte ausdrücken können. Ohne den Blick von Gavin zu wenden, griff sie hinter das Fußende des Bettes, holte das zweite der in Paris gekauften Rapiere hervor, das sie zuvor dort versteckt hatte, und warf es ihm zu.
Gavin fing die funkelnde Klinge am Heft auf und betrachtete die Waffe mit einem langen, nachdenklichen Blick. Dann hob er sie grüßend, um anschließend den Kopf zu neigen. »Lassen Sie uns Ihren Bruder bei seinem Namen nennen. Er hieß Francis, Francis Dorelle. Er war so jung.« Er machte eine Pause und senkte den Blick. »Ich nehme an, Maurelle hat Ihnen erzählt, wie es dazu gekommen ist.«
»Natürlich.« Sie entledigte sich ihres Negliges, so dass sie nur noch im Nachthemd dastand. Auf diese Weise konnte sie sich freier bewegen. Wenn ihr Gegner dadurch abgelenkt würde, dann war das nur umso besser.
Mit leicht abwesendem Blick zog Gavin seinen Gehrock aus und warf ihn beiseite. »Maurelle war nicht dabei, als die Forderung ausgesprochen wurde, so dass sie nur aus zweiter Hand davon erfahren haben kann. Soll ich Ihnen erzählen, wie es passierte?«
Am liebsten hätte sie ihm dieses Recht verweigert, da sie nicht wusste, ob sie es ertragen konnte, sich die Geschichte anzuhören. Aber eine Weigerung hätte vielleicht bedeutet, dass sie nie erfahren würde, was genau bei diesem tragischen Duell geschehen war. Sie nahm die engarde -Position ein und hob die Klinge, damit er sie mit der seinen kreuzen konnte. »Es war, glaube ich, wegen eines Gedichts«, sagte sie.
»Es ging nicht nur um ein Gedicht, sondern um die Tatsache, dass es einer Dame gewidmet war, die ... nun, sagen wir, deren Zuneigung jemand anderem galt.« Auf Ariadnes Eröffnung reagierend, kreuzte er mit ihr die Klinge, wobei er gerade so viel Kraft anwandte, dass es reichte, ihre Waffe zur Seite zu drücken. »Dabei handelte es sich um Madame Lisette, die jetzt mit Caid O'Neill verheiratet ist«, fuhr er im Plauderton fort. »Sie war und ist für diejenigen, die sich in der Passage de la Bourse ihren Lebensunterhalt mit Fechten verdienen, etwas ganz Besonderes, weil sie dafür sorgt, dass wir eine Art Zuhause haben, einen Kreis, in dem wir immer willkommen sind. Aber das gehört nicht zur Sache. Francis hatte wieder mal ein Gedicht für sie geschrieben und beabsichtigte, es bei Mondschein unter ihrem Fenster vorzutragen. Unglücklicherweise hatte er mehrere Gläser Brandy getrunken, um für diese literarische Serenade Mut zu schöpfen.«
»Sie behaupten, er sei betrunken gewesen. Er hat nie getrunken.« Erbost über diese Aussage, die sie für eine Lüge hielt, ging sie plötzlich zum Angriff über. Nachdem sie seine Deckung unterlaufen hatte, verfing sich ihr Rapier im linken Ärmel seines Hemds und schlitzte ihn auf. Auf dem makellosen weißen Stoff bildete sich ein dünner roter Streifen.
Weil sie schockiert war und überdies befürchtete, dass er sich sogleich furchtbar rächen würde, wich sie hastig
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