Kampf der Gefuehle
diesem tristen Abend hatte sie keine Gäste, es sei denn, dass Gavin und vielleicht auch Nathaniel bei ihr waren. Ariadne wusste nicht genau, wo sich der Fechtmeister im Moment befand. Es konnte sein, dass er las oder Karten spielte, es konnte aber auch sein, dass er seiner Gastgeberin einen Besuch abstattete. Sie wusste nur, dass abgemacht worden war, dass er zu dieser Zeit zu ihr kommen würde. Und deshalb wartete sie.
Und eh sie sich's versah, war er da. Sie merkte es daran, dass ein Luftzug im Zimmer entstand, der um ihr |
Kleid strich und bewirkte, dass die Kerze ms Flackern geriet. Als sie sich umdrehte, stand er mit der Hand auf dem Türknauf vor ihr. Das spärliche Licht verlieh seinem Haar die Farbe angelaufener Goldmünzen und ließ nur undeutlich erkennen, dass er einen Gehrock, ein Halstuch, gebügelte Hosen und auf Hochglanz polierte Stiefel trug.
Er hatte sich für sie feingemacht. Diese Erkenntnis drohte ihr die Kehle zuzuschnüren. Sie reckte das Kinn hoch und atmete tief durch.
Wohlwollend musterte er ihre elegante seidene robe a la francaise und ihr dunkles Haar, das ihr offen über die Schultern und den Rücken floss. Dann heftete sein Blick sich auf ihre weißes langes, am Ausschnitt und am Saum mit schwarzer Spitze besetztes Nachthemd aus feinem Batist, das durch das offen stehende Neglige zu sehen war. »Wie ich bemerke, sind Sie sehr leger angezogen«, stellte er fest. »Ich wäre gern bereit gewesen, mich dementsprechend zu kleiden, aber davon war in Ihrer Einladung keine Rede.«
»Das habe ich vergessen, aber das spielt keine Rolle. Bitte kommen Sie herein.«
Nachdem sie die Vorhänge aus bronzefarbener, mit goldenen Fransen besetzter Seide vorgezogen hatte, stellte sie sich vor den Kamin, in dem ein Feuer brannte. Die Wärme, die sie am Rücken spürte, war angenehm, obwohl Ariadne etwas ganz anderes bezweckte. Sie war sich durchaus bewusst, dass sich die Konturen ihrer Gestalt beim Schein des Feuers wirkungsvoll unter ihrem dünnen Nachtgewand abzeichneten. Das wusste sie, weil sie es bereits mit Hilfe des Drehspiegels, der in der Ecke neben dem Bett stand, ausprobiert hatte.
Gavin bemerkte ebenfalls, welchen Effekt der Schein des Feuers hatte, daran bestand kein Zweifel. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, kam er mit wachsamem Ausdruck in den Augen auf sie zu.
Jedenfalls hatte sie es geschafft, seine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken.
In Anbetracht der leidenschaftlichen Natur ihrer letzten Begegnung befürchtete sie, dass er sie in die Arme nehmen würde. Das war ein Risiko, das sie lieber vermeiden wollte. Sie trat zur Seite und ließ sich auf einen der zwei vor dem Kamin stehenden Sessel sinken, wobei sie ihn mit einer Geste aufforderte, ebenfalls Platz zu nehmen.
Mit leicht zusammengekniffenen Augen ließ er sich lautlos auf die gepolsterte Fläche fallen. »Die Nacht soll also nicht dem Liebesspiel gewidmet sein? Das enttäuscht mich zwar, aber ich werde es überleben. Allerdings würde ich gern den Grund dafür wissen. Oder ist der Zeitpunkt gekommen, da es wegen vergangener Gunstbezeigungen miteinander abzurechnen gilt?«
»Eher wegen vergangenen Unrechts.«
»Das hört sich bedrohlich an.«
»Das soll es auch.« Sie beugte sich so zur Seite, dass ihre langen wallenden Haare verbargen, was sie tat, und nahm das Rapier an sich, das auf der anderen Seite des niedrigen Sessels lag. Leise zischend fuhr die Klinge durch die Luft, als Ariadne sich umdrehte und die funkelnde Spitze direkt auf sein Herz richtete.
Ohne die Waffe auch nur eines Blicks zu würdigen, sah er Ariadne unverwandt ins Gesicht und hob die Hände. »Ausgleichende Gerechtigkeit, sozusagen«, stellte er fest. »Stechen Sie zu, ma chere, wenn das Ihr größter
Wunsch ist. Ich hätte Ihnen schon längst Einhalt gebieten können, wenn ich gewollt hätte.«
»Das ist mir klar. Warum haben Sie mich trotzdem weitermachen lassen? Es sei denn, um des ... wie haben Sie es ausgedrückt? Um des Liebesspiels willen?«
»Zugegebenermaßen ein köstlicher Preis, auch wenn er mit Hass und Hinterlist gewürzt war. Wie sollte ich da widerstehen? Trotzdem war das nicht das Ziel, das ich verfolgte. Ich war der Ansicht, dass Ihnen eine gewisse Entschädigung zustand, wenn auch vielleicht nicht gerade von der Art, dass ich Ihnen gestatte, meinen Schädel an einem Band auf der Brust zu tragen, so angenehm dieser Ruheplatz auch sein mag. Das Schwierige dabei war, es zuzulassen, ohne gleichzeitig Schuldgefühle
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