Kampf der Gefuehle
ich bestimmt eine Ausnahme machen. Es dürfte an der Zeit sein, dass ich ans Heiraten denke.«
Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. »Und wenn mir nicht der Sinn danach steht, Ehefrau zu werden?«, entgegnete sie.
»Dann werden Sie eben meine Geliebte. Ich kann Ihnen bieten, was Sie sich nur wünschen - Juwelen, Kutschen, ein Schloss ...«
»Angenommen, ich wünsche mir gar nichts?«
Er lächelte selbstbewusst. »Sie können mich noch so auf die Folter spannen, ma chere, darauf falle ich nicht herein. Sie sind eine Frau mit tiefen Leidenschaften. Das Problem ist nur, dass Sie sich noch nicht schlüssig sind, was Sie wollen und wonach Ihnen der Sinn steht.«
»Wenn Sie das annehmen, dann kennen Sie mich überhaupt nicht.«
Er tätschelte ihre Schulter, während sein großer Mund sich zu einem überlegenen Lächeln verzog. »Es könnte auch sein, dass Sie sich selbst nicht kennen.«
Bevor sie sich seiner Berührung entziehen oder auf seine unglaubliche Anmaßung reagieren konnte, richtete er sich auf und wandte sich ab. Zweifellos erwartete er, dass sie ihm hinterherstarrte, tief beeindruckt davon, wie gut er sich mit Frauen und ihren Gefühlen auskannte. Sie schenkte ihm jedoch kaum Beachtung. Stattdessen richtete sich ihr Blick auf die gegenüberliegende Loge, die Gavin Blackford gerade zusammen mit seinen Freunden verließ. Wie benommen erinnerte sie sich an den Moment, da sie ihn dort drüben entdeckt hatte. Das Gaslicht hatte sein Haar mit einem goldenen Schimmer überzogen, hatte seine hohen Wangenknochen hervortreten und sein Hemd weiß aufstrahlen lassen. Es hatte seiner anmutigen Haltung und seinen kraftvollen Schultern und Händen Kontur verliehen. Und als er sich ihr zugedreht hatte, um anschließend diskret den Kopf zu neigen, hatte es sich einen Moment lang in seinen blauen Augen widergespiegelt.
O ja, er war in der Tat dreist.
Sie hätte ihn ignorieren sollen, hätte so tun sollen, als sähe sie ihn nicht, doch das war unmöglich. Ohne es zu wollen, spürte sie, wie ihre Lippen sich zu einem kühlen Lächeln verzogen, während sie in Erwiderung seines Grußes den Kopf neigte. Und die ganze Zeit hatte ihr Herz mit solcher Kraft gegen die Stangen ihres Korsetts gehämmert, dass der goldfarbene Spitzenbesatz ihres Samtmieders in zitternde Bewegung geraten war.
Ihr Herz pochte immer noch wie wild.
Elftes Kapitel
Auch noch am folgenden Morgen setzte der Regen aus, obwohl alles darauf hin wies, dass das nicht lange so bleiben würde. Graue, schnell dahinziehende Wolken bedeckten den Himmel, und vom See her wehte ein kühler Wind, der den Geruch von Salzlake mitbrachte. Ariadne war entschlossen, die Unterbrechung des Regens auszunutzen und sich ein wenig die Beine zu vertreten. In Anbetracht von Maurelles angeborener Trägheit kostete es sie zwar einige Mühe, ihre Gastgeberin dazu zu überreden, sie zu begleiten, doch schließlich und endlich brachen die beiden Frauen auf.
Sie und ihre Gastgeberin waren nicht die Einzigen, die danach strebten, der in den Häusern herrschenden Stickigkeit zu entkommen. Auf den Bürgersteigen wimmelte es von Männern, die geschäftliche Verabredungen hatten, Dienstboten, die Besorgungen für ihre Herren machten, und Damen mit Körben am Arm und Schleiern aus gewöhnlichem grünen bareges über dem Gesicht, die sie vor eventuellen Sonnenstrahlen schützen sollten. An jeder Ecke boten Händler ihre Waren feil, so dass die Luft von unzähligen Rufen erfüllt war — Nüsse, Gemüse, Pralinen und Süßkartoffeln wurden angeboten. Scherenschleifer und Lumpensammler offerierten ihre Dienste. Ständig waren die beiden Frauen gezwungen, stehen zu bleiben und einige Worte mit dem einen oder anderen Bekannten von Maurelle zu wechseln, so dass sie jeweils nur ein paar Schritte vorankamen. Und selbst wenn es ihnen gelang, zügiger vorwärts zu kommen, mussten sie die Verbeugungen vorübergehender Gentlemen erwidern, den Priestern und Nonnen, denen sie begegneten, lächelnd zunicken, alten Damen zuwinken, die auf ihrem Balkon frische Luft schnappten, und den Kindern ausweichen, die vor den Haustüren spielten. Auf Maurelles Vorschlag hin lenkten sie ihre Schritte in Richtung Uferpromenade, wo es gewöhnlich nicht ganz so voll war.
Das erwies sich indes als Irrtum, da die halbe Stadt den gleichen Gedanken gehabt zu haben schien. Überdies nutzten die Kapitäne der an den Docks festgemachten Segel- und Dampfschiffe das trockene Wetter aus, um Fracht aufzunehmen oder zu löschen.
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