Kampf um Thardos (German Edition)
Sie hatte die Arme lässig über den Beckenrand und den Kopf nach hinten auf ein weiches Kissen gelegt. Mit geschlossenen Augen genoss sie die Hitze des Wassers, das ihre Poren öffnete und ihre geschundene Haut aufweichte und entspannte. Das Wasser war mit einem Ölzusatz angereichert worden, der in wohlduftenden Dämpfen von der Oberfläche aufstieg und ein Gefühl von Harmonie und innerer Ruhe vermittelte.
Obwohl sich die Thardier nicht ihrer Nacktheit schämten, waren die einzelnen Becken separat angelegt worden, sodass kein Badender einen anderen erblicken konnte. Das Zeremoniell des heißen Bades galt bei den Thardiern als heilig und durfte von niemandem gestört werden. Man sah in der tiefen Entspannung eine intime Verschmelzung mit höheren, spirituellen Mächten, deren Erfahrungen ausschließlich einem selbst oblagen und nicht für Dritte bestimmt waren. Sheree war dies recht so. Auf die Art brauchte sie sich nicht die Blöße zu geben, vor Shaw und Swan nackt zu erscheinen.
Sheree hob die Lider und atmete den beruhigenden, wohligen Duft der heißen Öldämpfe ein. Obwohl sie sich zutraute, noch einige Stunden hier faul im Wasser liegen zu können, befand sie, dass es Zeit war, zu den anderen zurückzukehren. Jerie hatte ihnen zwar versichert, dass sie alle sofort zusammenrufen würde, sobald der Hohe Rat eine Entscheidung gefällt hatte, doch Sheree wollte auf keinen Fall etwas verpassen.
Sie richtete sich in dem Becken auf, schöpfte mit beiden Händen heißes Wasser und wusch sich damit über das Gesicht. Sie stand auf und watete zum Rand der Quelle. Ihre nackte Haut dampfte an der frischen Luft. Sie sprang in das zweite Becken mit eisig kaltem Wasser, schrie auf und tauchte dann unter. Die Kälte prickelte wie tausend Nadelstiche auf ihrer Haut, verschloss jedoch die geweiteten Poren. Sheree tauchte an die Oberfläche. Nach wenigen Sekunden empfand sie die Kälte nicht mehr als störend, sondern genoss ihre Frische, die ihren entspannten Körper wieder aktivierte und mit neuen Kräften ins Leben zurückrief. Sheree lachte vergnügt und tauchte noch einmal unter. Als sie wieder hochkam und ihre langen Haare kopfschüttelnd vom Wasser zu befreien versuchte, entdeckte sie einen Schemen am Beckenrand. Wie aus dem Nichts tauchte Jerie dort auf und hockte sich neben der Quelle nieder.
»Der Rat hat einen Entschluss gefasst?«, fragte Sheree. Sie machte sich nicht die Mühe, ihre Blöße vor der anderen Frau zu bedecken, schließlich waren sie unter sich.
»Schon vor einigen Minuten«, erwiderte die Thardierin.
»Warum haben Sie mich nicht eher gerufen?«
»Es ist unser Gesetz, die Badezeremonie eines anderen zu respektieren und ihn nicht zu stören, solange er sich in dem heißen Becken befindet und in den Schwingungen schwelgt«, erläuterte Jerie.
Sheree seufzte. Sie ergriff die von der Unsterblichen dargebotene Hand und ließ sich von ihr aus dem kalten Wasser ziehen. Rasch klaubte sie das große Laken am Fuße des Beckens auf und wickelte sich darin ein. Jerie half ihr abermals, sich trocken zu reiben. Anschließend schlüpfte Sheree Parr in eine der weißen Tuniken, die Jerie anstelle der zerschlissenen Uniformen für sie organisiert hatte.
Jerie befestigte die goldene Spange an den losen Enden des Gewandes, die an der rechten Schulter lagen. Danach schlang sie eine grüne, breite Schärpe um Sherees Hüften und band sie zu einem kunstvollen Knoten zusammen. Als die Thardierin ihr auch noch beim Anlegen der Sandalen helfen wollte, wehrte Sheree dankend ab. Sie hob ihre Füße und schlüpfte behutsam in das Leder, dessen Schnallen sich von selbst um die Knöchel schlossen.
»Nun sehen Sie aus wie eine von uns«, lächelte Jerie.
Sheree zuckte die Achseln. »Thardier, Terraner … und sogar Archalaya, wir sind alle Menschen.«
»Ja«, nickte Jerie. »Aber ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass Sie vielleicht hierbleiben könnten, egal wie die Entscheidung des Rates ausgefallen ist.«
Sheree hob die Brauen. Eine Weile starrte sie die Unsterbliche verständnislos an. Dann blickte sie um sich, sah die Quellen und erinnerte sich an die Unbeschwertheit, die Freiheit, die sie in diesen Augenblicken verspürt hatte. Frei von Zwängen und Verpflichtungen, frei zu tun, was sie wollte, ihr ganzes Leben lang. Eine perfekte Gesellschaft, ohne Kriege oder Kriminalität, ohne Krankheiten, ohne dem Streben nach Macht. Karretangar war das Paradies, und allein schon der Gedanke daran, es einmal wieder
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