Kanadische Traeume
haben.
“Verstehen Sie denn nicht, Sandra, daß man auf Eifersucht keine gesunde Beziehung aufbauen kann? Sie brauchen …”
“Einen Arzt? Ich bin nicht Ihre Patientin. Ich brauche nur Matthew! Und ich habe ihn!”
Charity wußte, es hatte keinen Zweck, weiter mit Sandra zu streiten. Sie ging in die Hütte zurück und schloß die Tür hinter sich.
Man wußte jetzt, daß sie Ärztin war. Mandy hatte sie von Anfang an gewarnt, daß die Leute ihr Bier nicht von einer Ärztin serviert haben wollten.
Charity war müde und wollte nicht, daß Matthew sie jetzt akzeptierte, nur weil sie einen angesehenen Beruf hatte. Warum hatte er kein Vertrauen in sie gehabt? Sandra behauptete, Matthew wäre enttäuscht und erzürnt. Charity war es jetzt einerlei, ob es wahr war oder nicht. Sie wußte, sie mußte gehen.
Sie hatte keine andere Wahl. Sie liebte Matthew. Vielleicht so sehr, daß sie ihn mit dem Kind, das in ihr wuchs, zu halten versuchen würde.
Charity streichelte liebevoll ihren Bauch. Dann ging sie auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer und zog leise ihren gepackten Koffer unter dem Bett hervor.
Wenig später ging sie ein letztes Mal den Plankenweg an den Hütten entlang, blieb an seinem Ende noch eine Zeitlang stehen und schaute auf das Hotel hinunter und auf den tristen See dahinter. Die Sterne am Himmel schienen ihr zu sagen:
“Manche Chancen hat man nur einmal im Leben. Charity, nutz sie!” Der Gedanke schnürte ihr das Herz zusammen.
Sie konnte die Chance nicht annehmen. Was sollte sie tun?
Matthew einfach sagen: Ich liebe dich. Was, wenn er sagte, er würde Sandra nun doch heiraten? Was, wenn er, wie alle anderen Männer in ihrem Leben, ihre berufliche Stellung nicht akzeptieren konnte?
Sie mußte weg. Sie mußte diesem verzauberten Ort und Matthews Nähe entkommen, damit sie wieder klar denken konnte.
Charity klopfte an Nelsons Tür.
Er kam heraus, trug kein Hemd und hatte nur eine alte Trainingshose an.
“Was ist los, Doktor?” witzelte er. “Haben Sie Nachtdienst?”
Er lachte laut über seinen eigenen Humor.
“Können Sie mich in die Stadt fahren, Nelson?”
“Gern”, sagte er.
10. KAPITEL
Matthew Blake strotzte förmlich vor Lebenskraft. Seine Energie war enorm. Er hätte am liebsten gesungen. Ging es allen so, die gerade dem Tod entronnen waren? Matthew lächelte. Er wußte sehr gut, daß diese Gefühle mit etwas ganz anderem zusammenhingen.
Nämlich damit, daß er die Augen geöffnet und in Charitys geschaut hatte. Er hatte es gesehen. Er wußte es. Charity Marlowe liebte ihn.
Dr. Charity Marlowe.
Matthew öffnete die Tür seines Krankenhauszimmers. Mit einer Hand hielt er das seltsame Hemd, das sie ihm angezogen hatten, hinten zusammen.
“Schwester!”
Sie kam angerannt. “Mr. Blake, legen Sie sich sofort wieder hin.”
Die Krankenschwester war höchstens zwanzig. Wo hatte sie gelernt, einen erwachsenen Mann in diesem Ton herumzukommandieren?
Matthew funkelte sie an. “Mr. Blake geht. Wo ist meine Kleidung?”
“Der Arzt macht gerade seine Runde. Wenn Sie noch einen Augenblick Geduld haben …”
“Geduld”, grollte Matthew, “Geduld ist nicht meine Stärke.
Wo ist meine Kleidung?”
“Sie bleiben im Bett!”
Matthew fand dieses Mädchen, das, die Hände in die Hüften gestemmt, vor ihm stand und ihm Befehle gab, sehr amüsant, ließ es sich aber nicht anmerken.
“Ich habe einen Termin bei meinem persönlichen Arzt, den ich einzuhalten gedenke. Holen Sie sofort meine Kleidung!” Er schlug der verblüfften Schwester die Tür vor der Nase zu.
Wenige Minuten später waren seine Sachen da.
Ein junger Arzt kam ins Zimmer. “Ich höre, Sie wollen uns verlassen”, sagte er freundlich lächelnd. “Wie fühlen Sie sich?”
“Ich habe mich nie besser gefühlt”, sagte Matthew und betrachtete den jungen Mann nachdenklich. “Sagen Sie, wie war das Medizinstudium?”
Der Arzt sah ihn erstaunt an. “Wahnsinnig anstrengend.
Wieso? Wollen Sie den Beruf wechseln?”
“Nein. Ich frage mich nur, ob jemand, der ein paar Jahre Medizin studiert hat, einen Sommer lang in einer anderen Branche arbeiten würde? In einem Ferienhotel, zum Beispiel?”
“Wenn sich die Gelegenheit bieten würde, aber sicher.
Besonders nach der Assistenzzeit ist man ziemlich ausgebrannt.
Sie sind kerngesund, Mr. Blake. Sie haben Glück gehabt. Hüten Sie sich vor Mandeln!” Schon war er zur Tür hinaus verschwunden.
Matthew mietete ein Auto. Er konnte nicht warten, bis ihn jemand
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