Kanadische Traeume
gesprochen?”
“Es war zu schmerzlich, und ich wollte meine Trauer für mich behalten.” Mandy trocknete sich die Augen. “Verpaß deine Chance nicht, Charity.”
“Mein Fall ist anders. Matthew Blake hat mir gar nichts in Aussicht gestellt.”
“Aber das Leben gibt dir Chancen! Bist du blind?”
“Anscheinend”, sagte Charity.
Mandy ging plötzlich ein Licht auf. “Aha! Sie ist es!”
“Wer? Was?”
“Wer wohnt bei Mrs. Forster? Wer sieht, wo sie ihren Schmuck aufbewahrt? Und wer haßt dich aus tiefster Seele?”
“Sandra”, sagte Charity leise.
“Natürlich! Wie herrlich, Detektiv zu spielen! Ihr beide solltet eigentlich die Gescheiten sein, aber da muß erst eine Ignorantin wie ich kommen…”
“Du bist keine Ignorantin.”
“…um den Fall zu lösen. Ihr seid so verliebt ineinander, ihr könnt nicht bis zwei zählen.”
“Ich bin verliebt”, sagte Charity deprimiert. “Was er fühlt, weiß ich nicht. Ich kann nicht hier herumsitzen und warten, bis er mir sagt, daß er meine Liebe nicht erwidert. Ich muß weg.”
“Bitte, geh nicht. Gib der Liebe eine Chance”, flehte Mandy.
“Das habe ich ja getan, und absolut nichts ist geschehen.”
“Du nennst heute nachmittag nichts?”
“Heute nachmittag war der Gipfel. Der Mann bringt es nicht fertig, mir zu trauen.”
“Das weißt du doch gar nicht. Aber wenn du jetzt gehst, glaubt er bestimmt, daß du es getan hast.”
“Soll er mir doch die Königlich Kanadische Polizei auf den Hals schicken. Die werden es gleich merken, daß ich keine Kriminelle bin.”
“Diese Art von Publizität wäre nicht gerade ideal für den Anfang deiner Karriere.”
“Das ist mir ganz egal”, sagte Charity trotzig.
“Du kannst die Leute im Hotel nicht so im Stich lassen”, ermahnte Mandy ernst. “Das sieht dir gar nicht ähnlich. Du läufst doch sonst nicht vor deinen Verpflichtungen davon. In einer Stunde sollst du bei der Arbeit sein.”
“Nelson kann für mich einspringen. Er macht es sowieso besser als ich.”
“Charity, ich habe dich noch nie so voller Selbstmitleid gesehen. Und Nelson kann nicht einspringen, weil er nicht da ist. Er ist mit Billie ins Kino gegangen.”
“Dann mach du es.”
“Nein.”
“Es ist mir gleichgültig.”
“Das ist nicht wahr, Charity. Bleib wenigstens, bis wir einen Ersatz gefunden haben. Es wirft wirklich ein schlechtes Licht auf mich, wenn du so plötzlich ohne Kündigung verschwindest.
Du kannst ja Matthew aus dem Weg gehen. Ich habe bemerkt, daß du darin sehr geübt bist. Vielleicht legt sich der Sturm im Wasserglas.”
Charity seufzte. Der Sturm in ihrem Herzen würde sich nicht legen. Aber was waren schon ein paar Tage mehr?
“Gut, ich bleibe”, sagte Charity kühl. “Bis Ende der Woche.”
“Das genügt”, freute sich Mandy.
“Unter einer Bedingung. Du mischst dich überhaupt nicht ein.
Du verteidigst mich nicht. Du beschuldigst Sandra nicht.”
“Aber warum denn?” jammerte Mandy.
“Wenn er es selbst nicht sieht, dann ist es hoffnungslos.
Verstehst du?”
“Ja”, sagte Mandy niedergedrückt, “leider, ja.”
Charitys Arbeitsschicht war schon halb vorüber, aber es tat ihr leid, daß sie eingewilligt hatte. Der Rauch bereitete ihr mehr Unbehagen als sonst. Vom Magen her ging es ihr schlecht.
Sogar der Geruch der Drinks war ihr unangenehm. Sie fühlte sich schwach auf den Beinen und fragte sich, ob sie das Versprechen, das sie Mandy gegeben hatte, halten konnte.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Sandra stand da, mit großen angsterfüllten Augen, leichenblaß unter ihrem Make-up.
“Ist ein Arzt hier?” schrie sie. “Wir brauchen sofort einen Arzt!”
Charity setzte das Tablett auf dem nächsten Tisch ab und lief zu Sandra. Sie faßte sie bei den Schultern und spürte, wie Sandra vor Furcht zitterte.
“Einen Arzt”, hauchte Sandra. “Wir brauchen …”
“Wo?” fuhr Charity sie an.
“Im Eßzimmer. Matthew hat…”
Charity wußte sofort, was geschehen war. Seine Allergie!
Charity lief zum Eßzimmer. Sie hätte fast Nelson umgerannt, der gerade mit Billie im Arm in die Halle gekommen war.
“Nelson, unter meinem Bett steht eine schwarze Arzttasche.
Hol sie bitte! Jetzt! Sofort!”
Nelson starrte sie an. “Eine Arzt…”
“Schnell!” schrie ihn Charity an. Sie bahnte sich ungeduldig einen Weg zwischen der Menge hindurch. “Ich bin Ärztin.
Lassen Sie mich durch!”
Matthew lag reglos auf dem Boden. Sein Gesicht war blaß, sein Atem ging
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