Kanadische Traeume
an Matthews Seite gelangt. Sie hielt seine Hand und weinte.
“Jetzt ist alles gut, Liebling”, murmelte Matthew.
Charity folgte langsam der Menge zum Krankenwagen hinaus. Sie sah, wie Sandra sich neben Matthew hineinzwängte.
Leute klopften Charity auf die Schulter, gratulierten ihr, äußerten ihre Verwunderung. Eine Katastrophe war vermieden.
Ein Leben gerettet.
Charity fühlte sich seltsam distanziert. Sie wollte von diesen glücklichen Menschen weg. Nelson schien es zu merken. Er legte beschützend seinen Arm um sie und begleitete sie den Berg hinauf zu ihrer Hütte. Und es war Nelson, der sie in seinen Armen hielt, als bei ihr der Schock einsetzte und sie leise zu weinen anfing. Sie hätte den Mann, den sie so liebte, fast verloren. Und in dem Moment, in dem Matthew die Augen öffnete und sie ansah, war sie ganz sicher gewesen, daß er ihre Liebe erwiderte.
Aber er hatte Sandra Liebling genannt. Vielleicht ist es nicht Sandra, die sich falschen Illusionen hingibt, sondern ich selbst, dachte Charity müde.
“Ärztin!” sagte Nelson immer wieder. “Wer hätte das gedacht? Ich bin mit einer Ärztin ausgewesen diesen Sommer.
Das muß ich meinen Freunden erzählen.”
Stunden später war Charity immer noch auf. Sie ging rastlos in der kleinen Hütte hin und her und war bedacht darauf, Mandy nicht aufzuwecken. Mitten in der Nacht klopfte es leise an der Tür.
“Darf ich Sie sprechen?” fragte Sandra.
Charity trat zu ihr hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
“Wie geht es ihm?” fragte Charity erschrocken.
“Oh, es geht ihm gut. Ich muß Ihnen wohl danken.” Sandra sprach nervös und stockend.
“Das ist nicht nötig. Ich habe nur meine Pflicht getan.”
“Aber das ist es nicht ganz, nicht wahr?”
“Ich weiß nicht, was Sie damit meinen?”
” Sie lieben ihn. Es stand Ihnen im Gesicht geschrieben, besonders als er mich Liebling nannte.” Sandra sah sie herausfordernd an.
Charity wurde blaß.
“Wir haben uns versöhnt. Auf eine Art war es genau, was er brauchte, um zu erkennen, was ich ihm bedeute.”
Charity war todmüde. Sie fühlte sich überwältigt von allem, was geschehen war. Sprach Sandra die Wahrheit, oder log sie?
Oder war es ein wenig von beidem?
“Sie denken sicher, daß ich zusammengeklappt sei und mich hilflos benommen habe.”
“Das denke ich keineswegs. Für die meisten Leute ist eine Krise etwas Unnatürliches, und man erwartet nicht, daß sie sich übermenschlich benehmen”, erklärte Charity.
“Erst meine Reaktion machte Matthew klar, wie sehr er mich liebt.”
“Wirklich?” Charity konnte es nicht vermeiden, ironisch zu klingen.
“Menschen wie Sie verstehen das nie”, flötete Sandra.
“Verstehen was nie?”
“Was Männer an Frauen lieben. Sie lieben schwache, hilflose Geschöpfe, damit sie sich stark und beschützend fühlen können.”
“Menschen wie ich haben Besseres zu tun, als ihr Leben dem arideren Geschlecht zu widmen”, bemerkte Charity trocken.
“Ihre große Rettungsaktion, zum Beispiel, ist zu bewundern, aber ich bin sicher, daß sich Matthew dadurch nur kastriert fühlt.”
“Kastriert?” wiederholte Charity verblüfft.
“Er trägt nicht einmal das medizinische Armband mit dem Hinweis auf seine Allergie. Das dürfte Ihnen sagen, wie sehr er jede Schwäche auf seine Männlichkeit bezieht.”
“Ich bin nicht so sicher.”
“Es ist ganz klar, er will es verheimlichen. Und er will ganz bestimmt nicht, daß er von einer attraktiven Frau gerettet wird.
Normalerweise sollte es genau umgekehrt sein.”
“Vielleicht sollte ich ihm eine Entschuldigung schicken.”
Sandra entging der Sarkasmus dieser Bemerkung. “Das können Sie sich sparen. Er ist zu enttäuscht von Ihnen.”
“Ich habe ihm das Leben gerettet!”
“Sie glauben doch nicht, daß ihm deshalb die Irreführung weniger schmerzlich ist?”
“Irreführung?” Charity war völlig perplex.
“Schließlich haben Sie ihn zum Narren gehalten. Sie haben ihn total lächerlich gemacht. Eine Ärztin, die sich als Kellnerin ausgibt! Es ist wirklich großartig!”
“Kommen Sie mir nicht damit!” Charity war mit ihrer Geduld am Ende.
“Was wollen Sie damit sagen?” fragte Sandra und machte große unschuldige Augen.
“Ich will damit sagen, daß nicht ich es war, die Mrs. Forsters Juwelen gestohlen hat!”
“Ach das! Und Sie können auch nicht beweisen, daß ich es war”, sagte Sandra kühl, ohne das geringste Bewußtsein, etwas Unrechtes getan zu
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