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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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Bedürfnissen meines Kindes gerecht zu werden? Halt, das ist ein Denkfehler: Es sind nicht die Bedürfnisse meines Kindes, die mich rennen lassen, es sind meine eigenen. Und wahrscheinlich ist »Bedürfnis« auch nicht das richtige Wort. »Verpflichtung« trifft es besser.
    Ich will arbeiten gehen. Ich muss es gar nicht. Das Gehalt meines Mannes würde ausreichen, wenn wir an manchen Stellen – Stichwort Familientag – ein wenig aufs Geld schauen würden. Aber ich will arbeiten gehen, und zwar auch deshalb, weil ich meine eigene Unabhängigkeit bewahren möchte. Haushaltsgeld zu bekommen, Quittungen zu sammeln und mit dem Mann größere Anschaffungen zu besprechen finde ich entsetzlich.
    Während ich meinen Gedanken nachgehe, liest mein Mann unserem Sohn das neue Bilderbuch vor und versucht, es vor Eisflecken zu schützen.
    Die Kindergartenmutter, deren Sohn diese Woche mit uns auf dem Spielplatz war, hat mir auf dem Elternabend erzählt, sie musste ihren Mann am Ende des Winters bitten, ihr Geld zu geben. Ihr Sohn brauchte dringend einen neuen Anorak. Die Frau arbeitet Teilzeit in einer Autovermietungsfirma und hat da viel Stress, sie ist wie ich eine der Rennerinnen und Hetzerinnen. Und sie kommt für die meisten Anschaffungen der beiden Kinder auf. Dass sie am Ende des Winters kein Geld für eine Jacke hatte, lag an einer hohen Zahnarztrechnung. Eigentlich keine große Sache. Doch ihr Mann reagierte komisch, meckerte, dass die Kinder ständig neue Kleider brauchen würden und dass das eine Geldverschwendung sei, Anfang Februar noch Wintersachen zu kaufen. Das hat mich fürchterlich geärgert, so die Kindergartenmutter. Dass ihr Mann ihr den unterschwelligen Vorwurf gemacht hat, sie sei schuld daran, dass ihr Sohn im Februar plötzlich längere Arme und einen längeren Oberkörper hat als im Dezember. Als hätte sie ihn mit Kraftfutter schnell größer werden lassen.
    Ich habe ihren Ärger gut verstanden und das auch gesagt. Da hat sie dann dagegengehalten und gemeint, natürlich würde ihr Mann sonst auch zahlen, sie hätten so eine Aufteilung, dass er alles, was mit der Wohnung zu tun hat, zahlt, und sie alles, was für die Kinder anfällt. Und dass das sonst auch gut funktionieren würde, nur eben nicht in diesem Fall.
    Eine grauenhafte Vorstellung, in einer solchen Abhängigkeit zu sein. Ich glaube, daran würde meine Ehe kaputt gehen. Ich war schon in den ersten Monaten nach der Geburt wahnsinnig genervt, kein Geld zu haben und auf das Elterngeld so lange warten zu müssen. Ich kam mir vor wie eine Schmarotzerin, die Geld haben will, ohne etwas dafür zu leisten.
    Mein Mann beginnt eine Diskussion mit meinem Sohn, der unbedingt auch einen Eiskaffee haben möchte, nachdem er von seinem probieren durfte. Ich sende böse Blicke zu meinem Mann, da ich Kaffeegetränke nicht passend finde für einen Dreijährigen. Und dazu gibt es noch Gejammer von meinem Sohn. Er versucht jetzt, mich davon zu überzeugen, dass ein Eiskaffee für ihn etwas Gutes wäre. Ich wähle die Flucht und sage, dass ich zur Toilette muss.
    Als ich mir die Hände wasche, betrachte ich mich prüfend im Spiegel. Bin ich jetzt mehr ich selbst als gestern Mittag im Büro auf dem Weg von der Honorarabteilung in mein Büro? Oder spiele ich wieder eine Rolle? Meine Schulfreundin hat mich vor kurzem gefragt, ob ich lieber ein Mädchen bekommen hätte als einen Sohn. Spontan habe ich gesagt, ich wäre zufrieden, wie es ist, und hätte nie tauschen wollen. Doch in mir klang die Frage noch länger nach, so lange, dass ich meine Freundin ein paar Tage später angerufen und eine erweiterte Antwort gegeben habe.
    Ich bin sogar ziemlich froh, einen Sohn zu haben, genau diesen Sohn zu haben. Weil er mir eine Welt eröffnet, die mir sonst verborgen gewesen wäre. Als Kind habe ich mich nie für die wilden Dinge interessiert, ich habe selten getobt, Sport hat mich nicht begeistert, ich war eher ängstlich als abenteuerlustig. Volksfeste waren für mich kein Anziehungspunkt, da ich vor den meisten Fahrgeschäften einen Heidenrespekt hatte. Mein Sohn ist genau das Gegenteil: Ja, er mag auch Lesen und Malen – hier ist er dann mein Kind – und hilft auch gerne beim Kochen. Aber er springt auch gern auf dem Spielplatz vom Klettergerüst in den Sand. Er will rennen, mit Bällen werfen und ins Wasser hüpfen. Dadurch entdecke ich Dinge, die ich nicht kannte, oder von denen ich dachte, sie wären nichts für mich. Inzwischen gehe ich gerne ins Schwimmbad. Ich bin

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