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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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verschiedene Menüs, und es darf kombiniert werden. Dafür bleiben die Bedürfnisse der Eltern, nein, der salat- und rohkostinteressierten Mütter, ein wenig auf der Strecke. Es gibt Schnitzel mit Pommes, Bratwürste mit Kraut oder Nudeln mit roter Sauce. Mein Mann bestellt das Schnitzel und ein Bier dazu, darauf hat er sich schon den ganzen Morgen gefreut. Ich nehme die Bratwürste, der Kleine bleibt bei Pommes.
    Nach einer weiteren Runde auf der Ach-Bahn will unser Sohn im Märchenparkshop noch ein Spielzeug kaufen. Es ist inzwischen 15:12 Uhr. Wir einigen uns auf eine Bilderbuchvariante von Die drei kleinen Schweinchen mit Happyend für alle Schweine im Steinhaus. Vor dem Bücherregal des Ladens treffe ich eine frühere Kollegin, die Vorgängerin der jüngeren Grafikerin. Sie ist mit ihrer Tochter im Märchenpark; ihr Mann trainiert eine Jugend-Handballmannschaft und konnte nicht mitkommen, weil heute ein Spiel ist. »Wie alt bist du denn?«, frage ich die Kleine. »Fünf«, sagt sie. »Im Sommer.« Ich staune. »Dann bist du seit fünf Jahren raus aus dem Büro«, sage ich zu der früheren Kollegin. Sie nickt. »Arbeitest du wieder? Denn zu uns bist du ja nicht zurückgekommen.« Sie sagt, dass sie halbtags Kleinanzeigen layoutet. Ein Job, der sie kreativ überhaupt nicht fordert, ihr aber völlig ausreicht. Kurz nach der Geburt schon war ihr klar geworden, dass sie überhaupt keine Lust mehr auf ihre alte Stelle hatte. »Diese ewigen Präsentationen und Broschüren, die die meisten doch eh ungelesen in den Müll werfen«, sagt sie. »Abends kam ich heim, oft total fertig vom Layouten. Und ich konnte meinem Mann nicht mal sagen, um was es inhaltlich ging. Weil ich immer nur darauf geachtet habe, dass die Bildunterschriften einzeilig waren und der Text unter den Bildern in einem vorbildlichen Flattersatz aufgebaut war: eine Zeile kurz, eine Zeile lang. Eine Zeile kurz, eine Zeile lang.« Sie schüttelt den Kopf. »Und dann gab’s jedes Mal so einen Stress wegen eines Tippfehlers oder eines falschen Bildes … Ist das immer noch so?«, fragt sie dann ein wenig neugierig. »Ja. Leider. Eine Broschüre, eine Präsentation in dieser Woche«, sage ich. »Ein Tippfehler, ein veraltetes Logo: Es gab viel Ärger.« Die frühere Kollegin lacht. Und meint, sie könne sich schon vorstellen, wie der Chef erst rumgemäkelt hat und dann hinterher voll des Lobes war. Ich lache auch. Obwohl es ganz schön wehtut, das zu hören. Denn natürlich hat sie recht.
    Wir verabschieden uns, ich gehe mit Mann und Kind zurück zum Parkplatz. Plötzlich stampft mein Sohn mit dem Fuß auf. »Sie ist tot!«, ruft er. »Wer ist tot?«, frage ich mit einigem Entsetzen. Er zeigt auf eine Ameise, die neben seinem Fuß auf dem Boden liegt. Ich frage vorsichtig weiter, ob er weiß, dass die Ameise nun nicht mehr weglaufen kann. Und dass ich sie auch nicht mehr reparieren kann. Weder der Papa mit seinem Werkzeugkasten noch der Kinderarzt könnten helfen. Der Kleine nickt. Und sagt noch einmal: »Sie ist tot!«
    Ich bin überrascht, dass er neuerdings keine Ameisen mag. Und dass er vom Totmachen spricht. Sicher hat er das aus dem Kindergarten, sagt mein Mann. Ich nehme mir vor, mit dem Kleinen über Sterben und Tod zu sprechen. Vielleicht finde ich ein Bilderbuch als Grundlage. Wieder fällt mir meine Mutter ein. Ich schiebe den Gedanken schnell weg.
    Rückfahrt. Auf halber Strecke halten wir an einer Eisdiele an, der Kleine isst Schokoladeneis, mein Mann und ich trinken Eiskaffee. 15:30 Uhr – wir hätten noch zweieinhalb Stunden im Märchenpark bleiben können. Aber ich bin sicher, dass es so schon mehr als genug war, für die ganze Familie. Ich überschlage kurz, was uns der heutige Ausflug gekostet hat: Eintritt, Mittagessen, Bilderbuch, Eis. Macht insgesamt 92,00 Euro, Benzin und Brotzeit nicht mitgerechnet. So ein Familientag ist ganz schön teuer.
    Muss das sein?, frage ich mich. Natürlich ist mein Sohn froh, wenn er Märchenpark, Pommes, Buch und Eis an einem Tag bekommt. Und ist er froh, sind wir es auch. Trotzdem komme ich mir gerade vor wie die reiche Tante, die mit teuren Mitbringseln über die Tatsache hinwegtrösten will, dass sie nie Zeit hat für ihren Neffen. Die dem Kind zu Weihnachten ein Fahrrad und zu Ostern einen Skikurs schenkt, aber nie eine halbe Stunde neben seinem Bett sitzt und etwas vorliest. Weil sie ja auch nie da ist. Bin ich so eine Tante, obwohl ich doch die Mutter bin und den ganzen Tag renne und hetze, um den

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