Kann ich gleich zurueckrufen
sogar Achterbahn gefahren mit meinem Sohn, heute, im Märchenpark. Was nicht mal mein Mann weiß: Es war auch für mich die erste Achterbahnfahrt meines Lebens. Und ich hatte Spaß dabei.
Trotzdem muss ich mir eingestehen, dass ich diesen Familientag geplant habe, um mich von einem schlechten Gewissen freizukaufen. Wie viel sogenannte Qualitätszeit habe ich mit meinem Sohn in dieser Woche gehabt? Ich habe ihn fortwährend angetrieben, schnell in den Kindergarten, nach Hause, zum Turnen, zum Spielplatz, wieder nach Hause zu gehen. Weil für ein Gehen in seiner Geschwindigkeit eigentlich nie Zeit ist – der gestrige Morgen, an dem ich aufgrund seiner Stocksuche zu spät zum Jour fixe kam, ist mir gut in Erinnerung. Auf dem Spielplatz, zu Hause und sogar an dem Tag, an dem er krank war, habe ich nicht nur viel mit dem Büro telefoniert, sondern auch ständig daran gedacht. Und abends war ich froh, wenn er endlich eingeschlafen war. Damit ich ihn »los war«, keine fünf Stunden, nachdem ich ihn vom Kindergarten abgeholt hatte. Und warum er sich neuerdings Tika nennt, habe ich immer noch nicht herausgefunden.
Es gibt Studien 32 , die belegen, dass voll berufstätige Mütter weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen als die, die nicht arbeiten. Mütter, die nicht oder Teilzeit arbeiten, sind mehr mit ihren Kindern zusammen. Dass dieses mehr aber zwangsläufig besser bedeutet, ist nicht gesagt. Schließlich gibt es auch Untersuchungen, die bestätigen, dass Kinder nicht unter Fremdbetreuung wie Kindergarten oder Kinderkrippe leiden. 33 Dem Kind geht’s also nicht schlecht – aber was sagen die Studien über den emotionalen Zustand der berufstätigen Mutter? Die sich zerrissen fühlt, weil sie zwischen ihrem Mutterleben und ihrem Berufsleben hin- und herspringt. Von ihrem Eheleben mal ganz abgesehen, das ja meistens an letzter Stelle steht. Und da ist es wieder, mein schlechtes Gewissen.
Ich gehe zurück zu Mann und Kind und aktualisiere dabei meine Top 5: Ich bin eine schlechte Mutter, weil …
… ich mein Kind immer antreibe,
… ich mein Kind meinem Terminkalender unterordne,
… ich fast ständig versuche, mein Kind aus meinem Leben wegzuorganisieren,
… ich nicht wirklich bereit bin, mich meinem Kind zu widmen,
… Haushalt und Büro mir wichtiger als mein Kind sind.
Ich könnte diese Liste problemlos zu einer Top 100 ausbauen. Mein armes Kind.
Aber wenn ich meinen Mann da sehe mit unserem Kleinen, wie sie lachen und sich gegenseitig mit Eis füttern, denke ich mir, dass ich doch auf jeden Fall etwas richtig gemacht habe: Unser Sohn ist glücklich. Ob ich nun eine erfolgreiche Mutter oder eine gute Mutter oder einfach nur eine Mutter bin – er ist glücklich. Und das macht mich auch glücklich. Ich setze mich zu den beiden, schlürfe den Rest meines Eiskaffees und gebe zuerst meinem Sohn, dann meinem Mann einen kalten, klebrigen Kuss auf die Wange. »Ich bin froh, dass ich euch habe«, sage ich. Sie nicken und geben mir kalte, klebrige Küsse zurück.
Ich versuche noch einmal, meine Mutter zu erreichen. Sie geht nicht ans Telefon. Es ist etwas passiert. Auf dem Heimweg singen wir alle drei lautstark. Die Texte denken wir uns selbst aus. Das Lieblingslied unseres Sohnes: »Das La-la-lama hat eine al-te Mama. Ihr Haar ist weiß, sie isst gern Eis.«
Um 17:33 Uhr sind wir zu Hause. Tika möchte die Häuser der drei kleinen Schweinchen aus Lego nachbauen. Ich baue mit, mein Mann bereitet das Abendessen vor und hilft dann auch beim Hausbau. Das Strohhaus wird rot-weiß, das Holzhaus gelb, und das Steinhaus hat keine Fenster. Zum Abendessen gibt es Spaghetti Bolognese und Salat. Unser Sohn liebt Nudeln mit roter Sauce, aber Salat mag er keinen. Gemeinsam räumen wir nach dem Essen die Küche auf. Dann bringt mein Mann unseren müden Sohn ins Bett. Ich räume den Wäschetrockner aus und versuche noch einmal, meine Mutter zu erreichen. Sie geht nicht ans Telefon.
19:47 Uhr. Zwei Abende hintereinander ausgehen – das sieht meiner Mutter nicht ähnlich. Ich setze mich an den Küchentisch. Es ist etwas passiert.
Mein Mann kommt rein und schließt die Küchentür. »Kind schläft«, sagt er. »Lust auf ein Glas Wein?« Ich nicke. Und sage, dass ich meine Mutter wieder nicht erreicht habe. »Da muss was passiert sein«, wiederhole ich meine Gedanken. Mein Mann fragt, was ich machen will. Ich bin unschlüssig. Zwar habe ich einen Schlüssel zur Wohnung meiner Mutter. Aber abends möchte ich da nicht einfach
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