Kanonendonner über der Adria
Kettenkugel gewählt, und diesmal zerriss es das Klüversegel des Luggers. Gregors Kugel krachte gegen seine hintere Karronade und warf sie um.
Die Briten kämpften mit einer Perfektion, die den jahrelangen Drill von Kriegsschiffmatrosen verriet. Und auch die beiden Jungen rannten mit Begeisterung von der Pulverkammer zu den Kanonen. Victoria führte die kurzen Befehle Gregors aus und verhielt sich wie ein alter Rudergänger. Wenn sie sich um etwas sorgte, dann war es ihr Alexander, der alle Kraft aufbieten musste, um bei diesem Tempo Kartuschen und Kugeln zu richten. Jetzt sah er zu ihr hin und sie lachte ihn aufmunternd an.
»Parbleu!«, schrie der Kaperkapitän auf dem Lugger. »Das sind ja keine Menschen auf diesem Äppelkahn, das sind Teufel. Jeder Schuss sitzt, und das auf diese Entfernung. Wir müssen näher ran! Brasst die Segel schärfer und legt das Ruder. Ran an die Kerle, damit wir sie treffen.«
»Gib doch auf! Der Küstensegler ist doch die Opfer nicht wert. Vielleicht ist er eine Falle der Flotte«, wandte ein Matrose ein.
»Noch ein Wort und du baumelst an der Rah!«, brüllte der Kaperkapitän und riss die Pistole aus dem Gurt. »Wir werden den Kahn entern und die Kerle abschlachten. Ran an die Kuff und schießt!«
Die Kursänderung des Luggers ließ zwei britische Kugeln Wassersäulen aus der See reißen.
»Verdammt!«, knurrte Alberto. »Die ersten Fehlschüsse.«
Aber sein nächster Schuss saß wieder und traf den Lugger am Bug unterhalb der Wasserlinie. »Das wird ihnen Kopfschmerzen bereiten!«, triumphierte Alberto und bereitete den nächsten Schuss vor.
Aber bevor er die Leine reißen konnte, zerschlug ein Karronadentreffer die Halterung ihres oberen Rahtoppsegels. Das Segel fiel ins Meer und zog mit seinen Tauen die Kuff herum. Alberto ließ die Abzugleine los, griff sich eine Axt, die am Fuß des vorderen Mastes angebracht war, und rannte, um die Taue zu zerschlagen.
Victoria hielt verzweifelt mit dem Ruder gegen den Zug des Segels an, aber sie konnte nicht verhindern, dass die Kuff abfiel. Endlich waren die Taue zerhackt. Alberto rannte zu seiner Kanone zurück und Victoria konnte auf den alten Kurs zurück.
Aber der Zwischenfall hatte den Lugger zweihundert Meter näher gebracht, und jetzt auf fünfhundert Meter Distanz konnten auch sein Karronaden sicher treffen. Eben schlug ein Treffer in die Aufbauten der Kuff. Die Holzsplitter fetzten durch die Luft.
Victoria hatte sich geduckt, aber einer der Schiffsjungen schrie vor Schmerz auf. Ein Splitter ragte aus seinem Oberschenkel. Victoria hakte das Ruder ein und lief die paar Schritte zu ihm.
»Ich kann dir den Splitter jetzt nicht rausziehen«, sagte sie zu ihm. »Es würde zu weh tun. Aber ich kann ihn mit deinem Messer abschneiden, dass du nicht überall hängen bleibst. Außerdem binde ich dir mit meinem Halstuch den Oberschenkel ab. Es ist sonst nicht Schlimmes. Du musst nur ein wenig humpeln. Und du kriegst einen Schluck aus der Pulle des Käptns.«
Der Junge trank, schüttelte sich und humpelte davon, um neue Kartuschen zu holen. Ob die dicken Kaufleute daheim wissen, was schon Jungen auf See aushalten müssen? dachte Victoria noch.
Und dann schrie sogar ihr Gregor »Hurra!«. Sie blickte von ihrem Ruder, das sie gerade loshakte, hoch und sah, wie sich der Fockmast des Luggers neigte und fiel. Das Luggersegel deckte die Karronaden des Gegners ab. Er war vorübergehend hilflos.
»Schieß, Gregor!«, rief Alberto. »Jetzt machen wir ihn fertig!«
Auf vierhundert Meter traf bei diesen beiden Scharfschützen jeder Schuss genau dort, wo sie wollten. Alberto durchlöcherte den vorderen Rumpf, und Gregor zerschoss ihm das Ruder. Jetzt war der Lugger wirklich hilflos. Bevor sie den Fockmast losgeschlagen und ein Hilfsruder angebracht hatten, würden sie durchlöchert sein.
Und beide Kanonen der Kuff wurden jetzt mit diesem Ziel geladen und abgefeuert. Es ging den Briten nicht mehr ums Entkommen. Sie wollten den Gegner jetzt vernichten oder zur Aufgabe zwingen. Da dachten sie nicht wie Handelsschiffer, sondern ganz in der Tradition der Kriegsflotte.
Auf dem Lugger hatte eine Kugel dem Kapitän die Brust zerschmettert. Solange sein Herz noch Blut durch die Adern pumpte, feuerte er seine Leute an. Aber dann röchelte er nur noch Blutblasen aus seinem Mund und starb.
Jetzt trauten sich die hervor, die nicht mehr an einen Sieg glaubten.
»Aufhören!«, schrie der Matrose, der schon vorhin den Zorn des Kapitäns erregt hatte.
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