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Kanonenfutter

Kanonenfutter

Titel: Kanonenfutter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Befehlen in See gegangen. Nichts Neues, nur die Zeiten hatten sich geändert.
    Palliser schlenderte zur Querreling, das Megaphon unter dem Arm; sein Blick kreiste wie der eines Raubvogels und spähte nach einem neuen Opfer aus.
    Bolitho schaute am Großmast empor und konnte gerade noch den langen roten Wimpel hoch oben erkennen, der in einer Bö achtern auswehte. Nordwestwind. Dumaresq würde ihn auch brauchen, um vom Ankerplatz freizukommen. Das war immer schwierig, aber jetzt – nach dreimonatiger Liegezeit – genügte es, daß ein unaufmerksamer Matrose oder Maat einen Befehl falsch weitergab, um ein stolzes Ablegen innerhalb von Minuten in ein Desaster zu verwandeln.
    Palliser rief: »Alle Offiziere bitte nach achtern!« Es klang gereizt, er war sich der Bedeutung des Augenblicks offenbar bewußt.
    Bolitho trat zu Rhodes und Colpoys auf das Achterdeck, während Steuermann und Schiffsarzt sich wie Eindringlinge im Hintergrund hielten.
    Palliser sagte: »In einer halben Stunde lichten wir Anker. Gehen Sie auf Ihre Station und behalten Sie jeden Mann im Auge. Sagen Sie Ihren Bootsmannsmaaten, daß sie den Leuten Beine machen und jeden zur Bestrafung notieren sollen, der nicht richtig zufaßt.« Er warf Bolitho einen merkwürdigen Blick zu. »Ich habe diesen Stockdale Ihnen zugeteilt. Mit ist selber nicht klar, warum, aber er meinte, da sei sein Platz. Sie müssen eine besondere Anziehungskraft haben, Mr. Bolitho, obwohl ich bei Gott nicht ahne, worin die bestehen sollte.«
    Sie legten die Hand grüßend an ihre Hüte und begaben sich auf ihre verschiedenen Stationen. Pallisers Stimme folgte ihnen, durch das Megaphon hohl und eindringlich: »Mr. Timbrell! Noch zehn Männer ans Ankerspill! Wo ist der verdammte Vorsänger?« Das Sprachrohr schwenkte herum wie die Peitsche eines Kutschers. »Zum Teufel, Mr.
    Rhodes, ich möchte den Anker noch heute kurzstag gehievt haben, nicht erst nächste Woche.«
    Klink, klink, klink – das Spill drehte sich widerwillig, als die Mä nner sich kräftig in die Spillspaken warfen. Kopfschläge und aufgeschossene Buchten der Fallen und Schoten wurden von ihren Belegnägeln gelöst, und während Offiziere und Kadetten in der bewegten Flut der an Deck aufgereihten Matrosen wie blau-weiße Inseln wirkten, schien es, als erwache das Schiff selber zum Leben.
    Bolitho warf einen Blick hinüber zum Land. Noch immer keine Sonne; ein leichter Regenschauer malte Kräuselmuster aufs Wasser, die sich dem Schiff näherten. Die wartenden Männer zitterten vor Kälte und trampelten mit nackten Füßen aufs Deck.
    Little sprach leise, aber eindringlich auf zwei neue Leute ein, wobei seine großen Hände wie Spaten durch die Luft fuhren, um seine Erklärungen zu verdeutlichen. Er bemerkte Bolitho und stöhnte: »Großer Gott, Sir, die sind wie Holzklötze!«
    Bolitho beobachtete seine beiden Kadetten und überlegte, wie er die Mauer durchbrechen könne, die zwischen ihm und den beiden stand.
    Er hatte erst am Tag zuvor kurz mit ihnen gesprochen. Die Destiny war ihr erstes Bordkommando, was auch – mit zwei Ausnahmen – für die übrigen Kadetten galt. Peter Merrett war so klein, daß man ihn kaum zwischen den Taurollen und den hin und her eilenden Seeleuten wiederfand. Er war zwölf Jahre alt, Sohn eines prominenten Anwalts aus Exeter, der wiederum einen Admiral zum Bruder hatte: eine furchteinflößende Kombination. Eines schönen Tages – wenn er ihn erlebte – konnte der kleine Merrett sie zu seinem Vorteil nutzen, wahrscheinlich auf Kosten anderer. Aber jetzt, wie er so zitternd vor Kälte und ziemlich verängstigt dastand, sah er nur wie ein Häufchen Unglück aus. Der andere hieß Jan Jury, war vierzehn Jahre alt und kam aus Weymouth. Sein Vater, ein verdienter Seeoffizier, war bei einem Schiffsunglück ums Leben gekommen. Den Verwandten des toten Kapitäns mußte die Marine als der geeignete Platz für den jungen Jury erschienen sein. Jedenfalls waren sie damit alle Sorgen um ihn los.
    Bolitho nickte ihm zu.
    Jury war groß für sein Alter, hatte ein freundliches Gesicht, einen blonden Haarschopf, und konnte seine Aufregung kaum beherrschen.
    Er sprach auch als erster. »Wissen wir eigentlich, wohin die Fahrt geht, Sir?«
    Bolitho sah ihn ernst an. Nur vier Jahre trennten sie. Jury ähnelte zwar nicht seinem toten Freund, doch er hatte die gleiche Haarfarbe.
    Er tadelte sich selber für seine Gedanken und antwortete: »Das we rden wir früh genug erfahren.« Seine Worte kamen schärfer

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