Kantaki 02 - Der Metamorph
an den Wänden des Pilotendoms entgegen. Die glühenden Trümmer des geborstenen Kantaki-Schiffes trieben durchs All, und dahinter glitt etwas Dunkles vor die fernen Sterne. Das Licht der Sonne des nahen Systems trübte sich und… verschwand.
»Daten«, klickte Mutter Krsah, und die Akuhaschi bedienten die Kontrollen. Datenströme fluteten ihr entgegen, erschienen gleichzeitig in den Linsen: eine blasenförmige Deformation der Raum-Zeit, ausgehend vom dritten Planeten, den die Menschen Kerberos nannten.
Kantaki-Stimmen klickten.
»Auf dem dritten Planeten gibt es einen Keim des Abissalen!«
»Wir müssen das Konziliat verständigen!«
»Seit zahllosen Großzyklen gibt es keinen Kontakt mehr mit dem Konziliat.«
»Wenn der Keim erwacht und den Ruf der Temporalen hört, neutralisiert er das Null, und dann verlässt die Zeitflotte ihren Kerker in der Vergangenheit.«
Mutter Krsah nahm die Datenströme in sich auf und stellte fest: Das Sonnensystem mit dem Planeten namens Kerberos war vom Rest des Universums separiert. Der Keim des Abissalen hatte eine feine, aber unüberwindbare Trennlinie gezogen, eine Linie, die kein Kantaki-Schiff überqueren konnte. Selbst durch den Transraum war das Sonnensystem nicht mehr zu erreichen; der Keim hatte einen Teil seiner Realität absorbiert und es von den Fäden getrennt, die alles Existierende miteinander verbanden. Ein interkosmischer Ereignishorizont war entstanden, und nur Konzilianten konnten ihn passieren. Hier stießen die Möglichkeiten der Kantaki an ihre Grenzen.
Mutter Krsah sank zurück, und besonders starke Fluoreszenzen begleiteten ihre Bewegungen. »Ich bitte Vater Arhr, Vater Preh und Mutter Mrri unverzüglich nach Munghar zu fliegen, mit meiner Komponente des Sporns, und von den hiesigen Ereignissen zu berichten. Ich bitte sie außerdem, mit einer neuen kompletten Waffe hierher zurückzukehren. Mutter Larl, ist sie bereit, zum nächsten Kommunikationsknoten zu fliegen und von dort aus eine Prioritätsmitteilung an alle Kantaki zu schicken?« Klickende Laute beschrieben den Inhalt der Nachricht, die vom Knoten aus alle Raumschiffe der Kantaki erreichen würde, wo auch immer sie sich befanden: Bestrafung der Menschen, die gegen den Sakralen Kodex verstoßen hatten; Warnung vor dem erwachenden Keim des Abissalen; die dringende Notwendigkeit, Kontakt mit den Konzilianten aufzunehmen.
Mutter Larl bestätigte den Auftrag, und ihr Bild verschwand aus der Linse. Die anderen Projektionsbereiche zeigten, wie ihr Schiff schneller wurde und mit noch unvollständig reparierter Transportblase im Transraum verschwand.
»Und was hat sie vor, Mutter Krsah?«, fragte Vater Arhr.
»Ich bleibe hier«, entschied Mutter Krsah. »Ich beobachte. Ich werde Augen und Ohren unseres Volkes sein, so viele Informationen wie möglich sammeln.«
Kurze, bedeutungsvolle Stille folgte diesen Worten. Mutter Krsah gehörte zu den Großen Fünf; ihre Entscheidungen stellte man nicht infrage, soweit sie sich auf sie selbst bezogen.
»Wenn die Zeitflotte aus der Vergangenheit zurückkehrt und kein einsatzbereiter Sporn zur Stelle ist, wird es ihr so ergehen wie Mutter Yurrl.«
»Jemand muss wachen.«
Die Kantaki in den Linsen hoben ihre Vorderglieder und verschwanden aus den Darstellungsfeldern. Ein energetischer Austausch fand statt, als die Spornkomponente Mutter Krsahs Schiff verließ und von einem anderen aufgenommen wurde. Dann sprangen schwarze Riesen durchs All und verschwanden im Transraum.
Mutter Krsah wandte sich ihrem Piloten zu. »Bring uns so nahe wie möglich an die dunkle Blase heran, Lion.«
Der Mensch nickte und steuerte Mutter Krsahs Koloss dorthin, wo ein ganzes Sonnensystem vom übrigen Universum getrennt worden war.
31 Konfrontationen
Kerberos
17. April 421 SN
8:50 Uhr
Raimon – beziehungsweise das Wesen, in das sich Raimon verwandelt hatte – musste in der Nacht sehr weit geflogen sein, denn unten erstreckte sich der Kontinentalwald, so weit Eklunds Blick reichte: ein grünes Meer aus Baumwipfeln, das kein Ende nehmen wollte.
Nur selten zuvor in seinem mehr als neunzig Jahre langen Leben hatte er sich in einer so außergewöhnlichen Situation befunden, fand er. Die Klauen eines drachenartigen Geschöpfs hielten ihn sanft fest, damit der Wind ihn nicht fortriss. Breite ledrige Schwingen erstreckten sich rechts und links über ihm, schlugen gelegentlich, zitterten und knarrten wie die Segel eines Bootes. Der Körper zwischen ihnen war
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