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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Beachtung schenkte, spürte das Selbstfragment vage einen neuen, ganz andersartigen äußeren Einfluss, der nichts mit dem Spiel zu tun hatte. Ein starkes Bewusstsein schien ihn erreichen zu wollen – eine Chance?
    Blaue Stangen passten an rote Rechtecke und grüne Quadrate, nicht aber an kleine gelben Pyramiden. Valdorian griff nach den Formen und fügte sie zusammen, orientierte sich an der Stimme des Temporalen, die noch immer aus dem fernen Zeitkerker wisperte. Er spürte, dass auch der Omnivor in Bewegung geriet. Er diffundierte durch Sedimente, glitt durch die Tiefen eines Meeres, die ebenso dunkel waren wie er selbst, stieg auf, dem Licht entgegen…
    Wieder spürte der freie Rest von Valdorian den externen Einfluss, und für einen Sekundenbruchteil glaubte er, einen goldenen Stern zu sehen. Er fragte sich, ob dies tatsächlich die erhoffte Chance war und er es wagen durfte, sein Versteck zu verlassen.
    Der versklavte Valdorian schien ebenfalls etwas zu spüren und verharrte in dem bunten Gerüst, das sich schier endlos in alle Richtungen erstreckte. Das Selbstfragment sah einen günstigen Moment gekommen und sprang dem fremden Einfluss entgegen.
    Gedanken und Gefühle dehnten sich, und der andere Valdorian, der Wegfinder, wurde mitgerissen.
    Er fand sich am felsigen Ufer eines Sees wie aus Quecksilber wieder, im heißen Schein von etwas, das im Zenit eines schwarzen Himmels brannte und keine Sonne war. Hinter ihm ragte der dunkle Zapfen des Zentrums auf, und er sah, wie sich unten eine Öffnung in ihm bildete und jemand nach draußen trat: Olkin.
    »Komm zurück!«, rief der Gnom, und Valdorian spürte, dass sein Körper gehorchen wollte. Er sprang, bevor ihn der eigene Leib verraten konnte.
    Die silberne Flüssigkeit war weder warm noch kalt, schloss sich wie bequeme Kleidung um ihn. Valdorian schwamm und öffnete nach einigen Sekunden die zusammengekniffenen Augen. Eine silbrige Welt erstreckte sich um ihn herum in alle Richtungen, ohne einen Hinweis auf oben und unten zu geben. Er ließ etwas Atemluft entweichen, um sich von den Luftblasen den Weg nach oben zeigen zu lassen, aber sie verschwanden einfach in dem Silber.
    Fast eine Minute lang schaffte es Valdorian, den Atem anzuhalten. Dann klappte sein Mund von ganz allein auf und füllte sich mit silbriger Flüssigkeit, die ihm auch in die Lungen drang. Angst und Schrecken explodierten in ihm, und einmal mehr fühlte er sich betrogen, um Freiheit und Leben.
    Er… starb…
    … und wurde in einem Raum ohne Fenster und Türen wiedergeboren, so grau wie seine Seele. Sofort begann er zu würgen und erbrach sich, leerte nicht nur den Magen, sondern auch die Lungen. Und aus dem Erbrochenen, braun und silbern, wuchs eine dürre, bucklige Gestalt.
    »Du hast zu fliehen versucht«, sagte Olkin. Ein dürrer Finger berührte Valdorian, und Schmerz entflammte in seinem Innern, eine Qual, die keine einzige Körperzelle verschonte und sich durchs Rückgrat brannte. »Niemand flieht aus dem Spiel.«
    Ein Heulen und Kreischen fuhr durchs graue Zimmer, kam von Valdorian und kehrte zu ihm zurück, ein Orkan aus seinem Schmerz, und als er wieder sehen konnte, befand er sich erneut im Gerüst, lenkte und steuerte willenlos.
    // Defensivum und Offensivum brauchen volles Orientierungspotenzial \\, ertönte eine Stimme in ihm, die zu seinen Gedanken zu gehören schien, aber ein anderes mentales Aroma hatte. // Temporaler Transfer erforderlich. \\
    Gesichter schwebten über dem Spiel, jenseits des Gerüsts, groß wie Planeten und Sonnen, die Spieler, ebenso versklavt wie er selbst. Jonathan, sein Sohn, die anderen…
    Valdorian spürte noch leise den äußeren Einfluss, während er schneller als vorher nach Formen griff und sie miteinander verband. Gleichzeitig wuchs die fremde Präsenz in seinem Geist immer mehr und ließ nun Gedanken entstehen, die den Geschmack eigener Gedanken hatten. Etwas in seiner Umgebung hatte sich verändert und erlaubte ihm keinen direkten Kontakt mehr mit der externen Kraft. Er versuchte, sein noch freies Fragment von der Servilität zu trennen, und begriff dabei, dass er einen Fehler gemacht hatte. Es wäre besser gewesen zu warten, mehr Informationen zu sammeln, zu versuchen, das Innere des Spiels besser zu verstehen. Jetzt war sein freier Rest an das instrumentalisierte Selbst gebunden und musste es begleiten auf seinem Weg zum Null.
    Irgendwann sah er mit Augen, die nicht ihm gehörten, und hörte mit Ohren, die nicht Teil seines Körpers

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