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Kantaki 02 - Der Metamorph

Kantaki 02 - Der Metamorph

Titel: Kantaki 02 - Der Metamorph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Schwärze, aber jetzt zeigte er wieder makelloses Weiß.
    »Der Splitter eines Splitters«, sagte die in der Nähe stehende KiTamarani. »Der Omnivorkeim hat einen Teil von sich geopfert, um zu fliehen und zu entkommen.« Kummer huschte durch das so menschlich wirkende Gesicht, hinter dem doch ein ganz anderes Wesen wohnte. »Mit allen meinen Erinnerungen wäre es mir vermutlich gelungen, ihn festzuhalten. Mein Ich/Wir ist alles andere als vollständig.«
    »Aber du lebst«, sagte Raimon. Er benutzte ein anderes Wort, doch etwas in Eklund ersetzte es durch einen vertrauten Begriff. »Du existierst noch und bist erwacht. Und ich bin hier.«
    »Ja«, erwiderte KiTamarani und lächelte. »Ja, du bist hier.«
    Eklund musterte die Frau und sah in ihren braunen Augen etwas, das ihn zutiefst beeindruckte, nicht nur ein langes Leben, sondern eine kosmische Tiefe. Er kam sich vor wie ein Kind, das immer nur kleine Tümpel gesehen hatte und sich plötzlich einem endlosen Ozean gegenübersah. Eklund versuchte, KiTamarani weniger als Person zu betrachten, sondern eher als Symbol für etwas, das in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schöpfung stand, dem Beginn des Universums. Er fühlte sich in der Präsenz einer Entität, die Konzepte wie Unendlichkeit und Ewigkeit in sich vereinte, Ausdruck einer Urkraft, die aus dem Feuer kam, das letztendlich alles geschaffen hatte.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Eklund leise.
    »Im primären Selbst der Konziliantin«, sagte Raimon. »Beim Agens.« Er deutete auf die weißen Türme, und Eklund ging langsam los, näherte sich einem von ihnen. Als er nahe genug herangekommen war, bildete sich eine Öffnung, und er betrat einen Raum, in dem helle Dunkelheit herrschte, mit einer Finsternis, in der er dennoch sehen konnte. Und während er Dinge sah, für die er keine Namen hatte, hörte er eine Stimme, die tausend Geschichten erzählte und von der Schöpfung berichtete. Er hob die Hände und beobachtete, wie sich Funken von seinen Fingerkuppen lösten und durch die Gespinste des Agens tanzten.
    Du musst eine Entscheidung treffen, flüsterte es durch den Turm.
    »Ich weiß.« Eklund trat zurück – und stand neben dem Haus mit Wänden aus Wasser, unweit eines Tümpels, der Raimon alle Gesichter zeigte, die er in sich trug.
    Ein Kreis hatte sich geschlossen. Aber vielleicht öffnete sich ein anderer…
    »Wohin geht es von hier aus?«, fragte er. »Wohin führt von hieraus der Weg?«
    KiTamarani stand vor ihm, an ihrer Seite Raimon.
    »Eine lange Reise erwartet uns«, sagte die Konziliantin, und ihre braunen Augen schienen sich zu öffnen, wie Tore ins Universum. »Ohne eine Vervollständigung meines Ich/Wir wäre es sinnlos, dem Omnivorkeim zu folgen – ich könnte die Konfrontation mit ihm nicht bestehen. Ich muss zum Konziliat zurück, um die Reduktion abzuschließen und alle Erinnerungen aufzunehmen, um wieder ganz ich zu sein.«
    Sie hatte einen ähnlichen Weg vor sich wie Raimon, nur ihrer war viel, viel länger.
    »Wohin möchtest du?«, fragte KiTamarani sanft, und Eklund spürte auch Raimons Blick auf sich ruhen.
    Er hatte niemanden, abgesehen vielleicht von Elisabeth, die durchaus eine besondere Rolle in seinem Leben spielte. Aber er hatte keine Familie, keine Verwandten, niemanden, der ihn brauchte. Freiheit breitete sich vor ihm aus, am Ende seines Lebens, und diese Freiheit erlaubte ihm eine Entscheidung, die er unter anderen Umständen vielleicht nicht getroffen hätte.
    Agens: Bereitschaft.
    »Ich möchte mitkommen«, sagte er. »Ich möchte euch begleiten.«
    KiTamarani und Raimon wechselten einen Blick.
    »Du hast ihn zu mir gebracht«, sagte die Konziliantin. »Wie könnte ich dir deinen Wunsch nicht erfüllen?«
    KiTamarani hielt Mensch und Metamorph an den Händen, Eklund zu ihrer Linken und Raimon zu ihrer Rechten, und gemeinsam betraten sie das Haus mit Wänden aus Wasser.
     
     

42  Perspektiven
     
Kerberos
17. April 421 SN
11:30 Uhr
     
    Elisabeth hatte das Hospital gerade erreicht, als die Welt um sie herum zu zittern begann. Sie glaubte zunächst, von Schwindel erfasst zu werden, begriff dann aber, dass der Boden unter ihr zitterte. Mit beiden Händen hielt sie sich am Geländer der Verandatreppe fest und hörte die erschrockenen Rufe der Menschen in ihrer Nähe. Ein dumpfes Grollen kam aus der Ferne, und etwas verdunkelte das Licht der Sonne. Elisabeth sah in Richtung Riffmeer und beobachtete, wie etwas Schwarzes gen Himmel wuchs. Es sah aus wie eine Wolke, an der

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