Kantaki 02 - Der Metamorph
der wie ein buckliger menschlicher Greis aussah, auf die Größe von etwa fünfzehn Zentimetern geschrumpft. Zum Glück hatte Lutor auch noch einige Makai-Nüsse, Leckerbissen für den Kuiki. Er holte eine von ihnen hervor, woraufhin sich das Männchen die Lippen leckte und vergeblich versuchte, die Tür seines kleinen Käfigs zu öffnen.
»Wie komme ich durch den Sumpf?«, fragte Lutor, und auch seine Stimme klang anders: kraftvoller, rau und kehlig – die Stimme eines Kriegers.
»Nuss, Nuss, will Nuss!«, rief das Männchen und streckte einen Arm durchs Käfiggitter.
»Du kriegst gleich was auf die Nuss, wenn du mir keine Auskunft gibst«, erwiderte Lutor drohend.
»Will Nuss, will Nuss!«, schrillte der Kuiki.
Lutor/Kordun hob die freie Hand vor den Käfig – eine große Hand mit langen Fingern; deutlich zeichneten sich die Sehnen ab – und ballte sie langsam zur Faust. Es knirschte leise, und das greisenhafte Männchen im Käfig schauderte.
»Schon gut, schon gut«, schmollte es. »Dies ist der Sumpf der Verlorenen Seelen«, sagte der Kuiki im Tonfall eines Weisen, der ein wichtiges Geheimnis preisgab. »Hörst du die Stimmen? Es ist das Flüstern der Körperlosen, jener Menschen, die bei dem Versuch starben, den Sumpf zu durchqueren. Möchtest du dich ihnen hinzugesellen, Kordun? Nuss, will Nuss, her damit!«
Lutor richtete den Zeigefinger auf das Männchen.
»Ja, ja, es gibt einen Weg zur anderen Seite.« Der Kuiki seufzte übertrieben. »Und wenn du so klug warst, den Kristall des halben Wissens mitzunehmen, so kannst du ihn sogar erkennen.«
»Und?«, grollte Lutor.
»Du willst es immer ganz genau wissen, wie? Na schön. Der Weg selbst ist sicher, aber zahlreiche Gefahren säumen ihn. Du solltest besser die Augen offen halten und für alles bereit sein. Dieser Sumpf gehört bereits zur Schattenwelt; von hier aus ist es nicht mehr weit bis zu Echna.« Das Männchen streckte erneut den Arm durchs Gitter. »Will Nuss, will Nuss!«
Lutor gab ihm die Makai-Nuss, und der Kuiki schob sie sich sofort in den Mund. Seine Zähne blitzten wie Diamanten und knackten die harte Schale mühelos. Während das Männchen energisch kaute und dabei mit den Augen rollte, holte Lutor den Kristall des halben Wissens hervor, den er tatsächlich mitgenommen hatte – er stammte aus der Grotte der Gebeine hoch oben in den Bergen; als er ihn hob, veränderte sich die Umgebung. Die flüsternden Stimmen wichen zurück und klangen enttäuscht – vielleicht hatten die Körperlosen gehofft, Korduns Leib übernehmen zu können. Gleichzeitig schien das Licht des Mondes ein wenig heller zu werden und sich genau dort zu verdichten, wo der Boden festen Halt bot. Lutor sah einen schmalen Weg, der sich durch den Sumpf schlängelte, vorbei an dichtem Gestrüpp, verkrüppelt wirkenden Bäumen und dunklem, schlammigem Wasser.
»Na, bitte«, brummte Lutor, steckte den Kristall ein, ließ den Käfig mit dem Kuiki wieder im Rucksack verschwinden – das Männchen beklagte sich bitter darüber – und setzte den Weg fort. Zuerst ging er vorsichtig, doch der Boden des Pfads blieb fest, und daraufhin marschierte er entschlossener. Gelegentlich schaute der Mond durch den Hochnebel, aber selbst wenn er dahinter verschwunden blieb: Sein matter Schein erhellte den Pfad und hob ihn aus der Dunkelheit, die sich von beiden Seiten an ihn heranschob. Manchmal bewegte sich etwas in der Finsternis, Schemen und Schatten huschten dahin, wie Jäger und Gejagte. Gelegentlich glühten Augen in der Schwärze, saphirblau und rubinrot, ihr Blick kalt wie Eis. Im schwarzen Wasser blubberte es, als faulige Gase aufstiegen, und einmal sah Lutor kurz den schuppigen Leib einer dicken Schlange.
Er ging weiter, die Augen offen, die Ohren gespitzt. Je tiefer ihn der Pfad in den Sumpf führte, desto stiller wurde es. Schließlich verstummten die flüsternden Stimmen ganz, und selbst das Blubbern hörte auf. Lautlosigkeit schloss sich wie ein Mantel um ihn, und als Kordun spürte Lutor eine weitere Veränderung, noch bevor sie eintrat. Etwas wuchs vor ihm aus dem Boden, in gespenstischer Stille, ohne einen einzigen Laut zu verursachen, eine Gestalt, die Teil der Finsternis zu sein schien, so wie Hände Teile eines Körpers waren. Die dämonische Fratze unter der schwarzen Kapuze wies Lutor darauf hin, dass es sich um einen Angehörigen der Infernalischen Garde handelte.
Er reagierte sofort, indem er den Rucksack fallen ließ – ein keifendes »Au!« kam aus ihm –
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