Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
wir sicher«, sagte er, als käme es nur darauf an. Für ihn mochte das der Fall sein, und es war kein Wunder nach dem, was er erlebt hatte. Aber Dominique glaubte zu sehen, wie sich dunkle Wolken zusammenballten und einen Sturm ankündigten. Sie verband sich mit dem Tal-Telas – hier im Transraum schien es näher zu sein, präsenter, leichter zu erreichen – und versuchte, die Muster in Gelmr zu erkennen. Doch erneut sah sie nur ein wirres Durcheinander, fast wie die Fäden am Rand der nichtlinearen Zeit: Wer dort navigierte, musste sehr auf der Hut sein, wenn er nicht die feine Trennlinie zwischen dem Wirklichen und Möglichen überqueren, ins Chaos von Alternativwelten oder gar in völlig leere und tote Universen geraten wollte. Gab es im Tal-Telas ein Äquivalent zur nichtlinearen Zeit?, überlegte Dominique. Existierten deshalb nur zehn Stufen? Musste die hypothetische elfte, Kalia, für immer unerreichbar bleiben?
Dominique schob diese Fragen beiseite, denn sie blieben ohne Einfluss auf ihre aktuelle Situation.
»Ich verliere mich«, sagte sie leise und beobachtete, wie sich die Kantaki-Symbole an und in der dunklen Wand wieder neu anordneten, als reagierten sie auf ihre Worte oder ihre Gedanken.
»Wie kannst du dich verlieren?«, fragte Rupert erstaunt. Seine Hände berührten sie noch immer an den Schultern, und angenehme Wärme ging von ihnen aus, strömte durch ihren ganzen Leib.
»Ich meine, ich verliere die Orientierung«, sagte Dominique. »Ich weiß nicht mehr, wo mein Platz ist und was ich tun soll.«
»Solange wir sicher sind, ist alles gut.«
»Für uns ja. Aber was ist mit den anderen?« Dominique drehte sich um und sah zu dem größeren Rupert auf, der die Hände von ihren Schultern nahm. Eine ließ er sinken, und mit der anderen strich er ihr übers kurze blonde Haar. »Was ist mit all den anderen dort draußen? Was ist mit den Tal-Telassi von Millennia, die mehr als zwanzig Jahre unterdrückt worden sind? Die man entführt und für grässliche Experimente missbraucht hat?« Sie tastete nach dem Nacken, dorthin, wo das Implantat gesessen hatte, und die Erinnerung ließ sie schaudern. »Ich muss dafür sorgen, dass so etwas nie wieder geschieht.«
»Du?«, fragte Rupert. »Du ganz allein?«
Ich ganz allein? , wiederholte Dominique in Gedanken und fragte sich, warum sie auf diese Weise dachte. Es erinnerte sie an ihren Vater Dominik, beziehungsweise an die endlosen Geschichten, die Loana von ihm erzählt hatte. Dominik, der sich immer verantwortlich gefühlt hatte. Dominik, der Retter von Millennia. Schickte sie sich an, in seine Fußstapfen zu treten? Dominique, die Retterin von Millennia …
Sie schüttelte den Kopf und bedauerte vage, dass Rupert deshalb die Hand zurückzog. »Ich brauche eine Dusche«, sagte sie und ging in Richtung Hygienezentrum.
Der Raum wirkte hell, trotz der grauschwarzen Wände mit den vielen Vorsprüngen, die als Sitze und Treppenstufen dienten. Als Dominique ihn betrat, glühte bereits goldenes Licht in seinem Zentrum und breitete sich aus, füllte alle Ecken und Winkel. Es funkelte und glitzerte, als sie sich bewegte, und man konnte es sogar einfangen, für ein oder zwei Sekunden in der hohlen Hand halten. Darauf verzichtete Dominique diesmal, ebenso auf den Tanz über die »Stufen«: nach oben und zu den Seiten, dann wieder nach unten, und noch einmal von vorn, durch ein Volumen, das größer war, als es die Maße von Boden, Wänden und Decke eigentlich zulassen sollten.
Sie legte die Kleidung ab, trat auf den Sockel in der Mitte des Raums und hob die Arme. Sofort schien sich das goldene Licht über ihr zu verdichten und die Konsistenz einer öligen Flüssigkeit zu gewinnen, die über ihren Leib rann. Die Quasiflüssigkeit reinigte nicht nur, sondern streichelte und massierte, und Dominique fühlte schon nach wenigen Sekunden, wie sich zumindest ein Teil ihrer Anspannung auflöste. Sie schloss die Augen.
Wie zornig sie gewesen war. Zornig und von dem Wunsch erfüllt, sich zu rächen. Vor allem an Joras Ebanar, Militärgouverneur von Millennia und Liebhaber ihrer verblendeten Mutter, an dem Mann, der sie nach Ennawah hatte bringen lassen. Und an all den anderen, die den Tal-Telassi das Konkordat aufgezwungen hatten und glaubten, sie für etwas bestrafen zu müssen, an dem – wenn überhaupt – nur drei Großmeisterinnen schuld waren; eine von ihnen hatte sich in Dominik neu inkarniert.
Gerechtigkeit für die Tal-Telassi , dachte Dominique und stand noch
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