Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
niemand?«
Er wünschte sich die seltsame Loslösung von der Realität zurück, die er mehrmals erlebt hatte, denn dann hatte er das Gefühl gehabt, nur von den Dingen erreicht werden zu können, die er an sich heranlassen wollte. Jetzt bedrängte ihn alles mit schmerzvoller Intensität: die schrecklichen Bilder der Katastrophe im All, viel zu deutlich präsentiert von pseudo- und quasirealen Projektionsfeldern; die Schreie der Sterbenden, die ihre Lebenskraft an die hungrigen Graken verloren; das Heulen der Alarmsirenen; die synthetischen Stimmen Künstlicher Intelligenzen und verschiedener Servosysteme; das Stöhnen von Menschen, die in einem Grakentraum gefangen waren; und die Rufe aus der Ferne, so fremdartig und doch so entsetzlich vertraut. Mrarmrirs Brutbrüder riefen ihn als einen der ihren .
Als der auf Tubonds Bewusstsein lastende Druck ein wenig nachließ, blieb er stehen und sah sich um. Überall lagen Männer und Frauen auf dem Boden, unter ihnen Medikerin Sintya. Die Toten waren kaum von den Lebenden zu unterscheiden, denn sie alle starrten ins Leere. Lanze Haigen war im Sessel des Kommandanten in sich zusammengesunken, lebte aber noch, denn gelegentlich atmete er schwer.
Einige rasche Schritte brachten Tubond zur Kommunikationsstation, und dort stieß er die zitternde Offizierin beiseite. Sie fiel zu Boden, blieb dort neben einem Toten liegen und stammelte Unverständliches.
Tubond starrte auf die virtuellen Anzeigen, doch das Bild vor seinen Augen verschwamm immer wieder. Er brauchte Hilfe; allein konnte er den Graken nicht standhalten. »Die Brainstormer«, krächzte er und fand das Symbol für die interne Kommunikation. Als er es berührte, wurde es ein wenig größer und leuchtete auf. »Byron?«, brachte er hervor. Das Sprechen fiel ihm schwer; die Zunge fühlte sich wie ein Fremdkörper in seinem Mund an. »Hören Sie mich, Lanze Byron? Die Brainstormer … Sie sollen mich schützen. Haben Sie verstanden? Raven und die anderen … Sie sollen mich vor den Graken abschirmen!«
Stimmen erklangen, aber sie ergaben ebenso wenig Sinn wie das Wimmern der Kommunikationsoffizierin. Wo befanden sich die Brainstormer? Tubond überlegte, ob er die Zentrale verlassen sollte, um nach Byron und den für Raven und die übrigen Brainstormer zuständigen Medikern zu suchen, als heftiger Schmerz seine Gedanken zerschnitt. Eine Zeit lang wütete ein Feuersturm in seinem Innern, und als sich das Bild vor seinen Augen wieder klärte, hing er einige Meter neben der Kommunikationsstation in einem energetischen Harnisch – offenbar hatte er ihn aktiviert, als seine Hände über die Kontrollen gezuckt waren. Noch immer heulten Alarmsirenen, und einige nahe pseudoreale Projektionsfelder zeigten ihm mehrere Räume im Innern der Torga , die offenbar durch Explosionen zerstört waren. In anderen Sektionen schien die Energieversorgung ausgefallen zu sein.
Tubond richtete sich im energetischen Harnisch auf, deaktivierte ihn und fiel zu Boden.
»Akustisches Interface«, sagte er, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, und konzentrierte sich auf jede einzelne Silbe. Der schreckliche Schmerz hatte nachgelassen, aber die Grakenpräsenzen draußen im All zerrten an seinem Selbst.
Nichts geschah.
Tubond atmete tief durch. »Akustisches Interface, Prioritätskode …« Er fügte Buchstaben und Zahlen hinzu, hoffte dabei inständig, dass er sie in der richtigen Reihenfolge nannte. Ohne Mneme und Enzelore war das Erinnern ein mühsamer Vorgang. »Ich übernehme hiermit das Kommando über die Torga .«
»Bestätigung«, kam eine Stimme aus dem Nichts. Sie gehörte dem Tron des Schlachtschiffs, seiner Künstlichen Intelligenz.
»Sirenen aus«, sagte Tubond.
Von einem Augenblick zum anderen herrschte eine fast gespenstische Stille.
Tubond ließ sich in den Sessel sinken, an dem er sich festgehalten hatte. Vor ihm glühten die Symbole von Kontrollen, die er nicht mehr zuordnen konnte.
»Die Brainstormer …«, sagte er und schnitt eine Grimasse, als der Druck auf sein Bewusstsein wieder zunahm.
Die Darstellungen des nächsten Projektionsfelds wechselten und zeigten die Räume mit den von Corhona stammenden Brainstormern. Mehrere von ihnen lagen abseits ihrer Ruheplätze am Boden, mit zertrümmerten Schädeln – offenbar waren sie gegen die Wand gelaufen. Eine deforme Frau hatte sich die Augen ausgekratzt und war verblutet. Die angeblendeten Biodaten wiesen darauf hin, dass andere Brainstormer aufgrund von Herzstillstand
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