Kantaki 05 - Feuerstürme (Graken-Trilogie 2)
dass sie es schon seit einer ganzen Weile wusste, seit sie zum ersten Mal die Stimme gehört hatte: Du kannst es fliegen.
Sie streckte auch die andere Hand in den schwarzen Quader und beobachtete, wie die in Fünfergruppen angeordneten Kantaki-Symbole in Bewegung gerieten. Aus dem schwarzen Quader wurde ein weißer, und dann ein transparenter, aus dem helles Licht kam.
Bring dem Schattenuniversum Licht , hörte sie noch einmal Mutter Rrirks Stimme.
»Nein«, sagte sie, als der Quader wuchs und sie aufnahm. »Nein, noch nicht. Erst muss ich mehr wissen.«
Hinter ihr verklang Ruperts Schrei, und sofort spürte sie, wie Olkins Gedanken nach ihr tasteten.
Aber es war zu spät.
Das Tal-Telas nahm sie auf und trug sie fort, zusammen mit Rupert, zu einem Ort, der seit langsam auf sie wartete: in das große Kantaki-Schiff unter dem Eis von Millennia.
Interludium 33
13. Mai 1147 ÄdeF
Broderick Gann blickte in ein Gesicht, aus dem die letzten Reste des Lebens wichen. In den Wangen von Nummer Drei zuckte es noch einmal, und sie sah zu ihm auf, mit einem Blick, in dem Verzweiflung und Hoffnung miteinander rangen. Dann trübten sich die Augen und sahen nichts mehr.
Broderick hatte den Oberkörper der Frau halb angehoben, obgleich er nach dem Ausfall des gravitationsregulierenden Mikrokrümmers genug Mühe mit dem eigenen Gewicht hatte. Wie behutsam ließ er ihn an die Wand des Explosionskraters sinken.
»Natalie«, sagte er leise. Diesen Namen hatte ihm die Frau genannt, vor wenigen Stunden. Jetzt war sie tot. Er fühlte keine Trauer. Schon seit einer ganzen Weile wusste er, dass er ein Lobotomer war; anders ließ sich die konstante Abwesenheit starker Emotionen nicht erklären. Aber das Fehlen von Gefühl hinderte ihn nicht daran, die Situation als ungerecht zu empfinden.
Blitze flackerten in einem von Rauchwolken geschaffenen Zwielicht. Explosionen donnerten, brachten noch mehr Tod und Vernichtung.
»Bewegung«, schnarrte die Kampfdrohne. Ihr fehlten einige Teile, aber sie war noch immer funktionstüchtig. »Der Angriff muss fortgesetzt werden.«
»Der Angriff …« Broderick sah auf die Tote hinab, auf ihren zerrissenen Kampfanzug und den zerfetzten Körper darunter. Andere Leichen lagen in der Nähe, manche von ihnen noch schlimmer zugerichtet. Plötzlich wurde ihm klar: Er war der einzige Überlebende dieser Gruppe der 3. Orbitalinfanterie.
»Sie hieß Natalie«, sagte er, den Blick noch immer auf die Frau gerichtet. »Aber sie wusste nicht, ob es ihr richtiger Name war. Ich heiße Broderick, und ich weiß , dass es nicht mein richtiger Name ist.« Er drehte den Kopf und sah zur schwarzen Kampfdrohne, die einige Meter entfernt am Boden des Kraters hockte und sich selbst reparierte. »Kennst du meinen wahren Namen?«
Die Maschine richtete einen visuellen Sensor auf ihn. »Ich bin Ihr vorgesetzter Offizier, den Sie zu siezen haben, Infanterist. Hiermit befehle ich Ihnen, diesen Krater zu verlassen und den Angriff fortzusetzen.«
»Ich bin allein«, sagte Broderick. »Alle anderen sind tot.«
»Das spielt keine Rolle«, schnarrte die Drohne. »Nur der Angriff ist wichtig.«
Broderick Gann handelte, ohne zu denken. Er hob seinen Annihilator, richtete ihn wie beiläufig auf die schwarze Maschine und drückte ab. Ein Blitz zuckte zur Drohne, bohrte sich in ihren Kern und riss ihn auseinander. Broderick duckte sich, als es krachte und heiße Metallfragmente umherjagten. Als er den Kopf wieder hob, war von seinem vorgesetzten Offizier nur noch ein metallenes Wrack übrig.
»Das hätte ich schon viel eher tun sollen, Natalie«, sagte er und sah ein letztes Mal auf die Tote hinab. Dann wandte er sich von ihr ab und kroch als letzter Überlebender seiner Einsatzgruppe an der Kraterwand empor.
Überleben , dachte er. Nur darauf kam es an. Überleben, um die Wahrheit herauszufinden.
In einer für ihn viel zu hohen Schwerkraft kroch er über den Kraterrand, fort von den Toten, fort von Natalie und den Resten der Drohne.
34. Grakenruf
13. Mai 1147 ÄdeF
Um ihn herum starben Offiziere, und im All fraßen Flammen die Schiffe seiner Flotte.
Maximilian Tubond, einst Hegemon der Allianzen Freier Welten und inzwischen kaum mehr als ein menschliches Wrack, wankte durch den großen Kontrollraum der Torga , die Fäuste an die Schläfen gepresst. Er versuchte, die fremden Bilder abzuwehren, die sich hinter seiner Stirn breitmachten. »Ich brauche … Hilfe«, ächzte er. »Warum hilft mir
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