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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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das Tal-Telas auf eine andere Weise wahrnahm. Es war nicht mehr fern, sondern viel näher als vorher, und Teile des Flix verschmolzen damit. Die zehn Stufen erschienen ihr deform und aufgebläht, enthielten mehr Energie als vorher. Und wenn sie sich konzentrierte, wenn sie ganz genau hinsah, zeichnete sich jenseits der zehnten Stufe Jomia noch mehr ab, nicht nur die hypothetische elfte Stufe Kalia. So etwas wie Ehrfurcht erfasste sie, als sie die zehn ihr bisher bekannten Stufen mit der Spitze eines Eisbergs verglich: Unter der Wasseroberfläche verbarg sich noch weitaus mehr.
    Sie schwankte plötzlich, von Schwindel erfasst.
    »Es tut mir leid«, sagte Tarweder. »Du warst so schwach, und ich hatte Angst, dass du stirbst …«
    Dominique fühlte sich gut, und sie hatte besseren Zugriff auf das Tal-Telas, aber ihr war auch klar, dass sie einen Preis dafür bezahlen musste. »Ich bin süchtig, nicht wahr?«
    Tarweder nickte.
    »Die Turui verlieren ihre Phasenverschobenheit, wenn sie das Gelbe nicht mehr bekommen«, sagte Dominique. »Was geschähe mit mir?«
    »Es könnte zu einem psychischen und physischen Kollaps kommen.«
    »Und wenn ich weiter das Gelbe nehme? Gibt es Nebenwirkungen?«
    »Keine mir bekannten«, sagte Tarweder ernst. »Aber du darfst es nicht zu oft nehmen. Je öfter du es nimmst, desto mehr brauchst du davon. Und noch etwas …«
    Dominique sah ihm in die Augen und verstand plötzlich. »Ich kann Heres nicht mehr verlassen. Das Gelbe gibt es nur hier.«
    »Nur im Zweiten Dominium.«
    Dominique atmete tief durch. Ein neues Problem war entstanden, aber derzeit fühlte sie sich zu gut, um genauer darüber nachzudenken. Erst mussten die anderen Probleme gelöst werden, und eins davon hieß Rupert. »Gehen wir nach draußen.«
    »Haus«, sagte Tarweder, »wir brauchen eine Tür.«
    »Ich empfehle warme Kleidung«, kam eine Stimme aus dem Nichts. »Die Garderobe enthält alles Notwendige.«
    Einige Minuten später standen sie draußen und sahen etwas Seltsames. Es wehte tatsächlich kein Wind mehr, aber die Luft war voller Schneeflocken, und sie bewegten sich nicht. Sie hingen einfach da, wie von unsichtbaren Händen in der Luft gehalten. Dominique griff nach einer und stellte erstaunt fest, wie schwer es war, die kleine Flocke zu bewegen. Als sie auf ihrer bloßen Hand lag, schmolzen die Eiskristalle wie in Zeitlupe und verwandelten sich in Wasser, das nur nach und nach ein Gefühl von Kälte vermittelte. Sie ließ die Hand sinken, und das Wasser blieb an Ort und Stelle, schwebte zusammen mit den Schneeflocken in der Luft.
    »Was bedeutet das?«, fragte Dominique verwundert.
    Tarweder antwortete nicht. Er hatte sich die Kapuze des Mantels über den Kopf gezogen und stapfte zur anderen Seite des Hauses, mit Kiwitt in der einen Manteltasche – nur sein Kopf ragte heraus. Dominique folgte dem Alten und versuchte wie er, Lücken im erstarrten Schneetreiben zu finden, da die Flocken ihren Bewegungen erheblichen Widerstand entgegensetzten. Die Kälte wurde ihr erst nach und nach bewusst, als ließe sie sich Zeit damit, auf die Haut einzuwirken, und das Atmen fiel ihr schwerer als sonst. Sie ging nicht in dem Neuschnee, sondern auf ihm – die weiße Masse gab nur dann unter ihrem Gewicht nach, wenn sie stehen blieb.
    Kurze Zeit später stand sie neben Tarweder am Brunnen und sah hinein. In seinem Innern zeigte sich keine Schwärze, sondern eisverkrusteter grauer Stein, teilweise von Schnee bedeckt.
    »Der Brunnen sieht aus, als hätte er seit Jahrhunderten nicht mehr funktioniert.« Dominique hob den Blick und sah durch die Düsternis. Einige hundert Meter entfernt zeichneten sich die Umrisse von Gebäuden ab.
    »Ja, und das ist seltsam, denn er hat uns hierher gebracht«, sagte Tarweder langsam.
    »Was ist passiert? Was hat dies alles zu bedeuten?«
    »Vermutlich hängt es mit den Veränderungen in den Dominien zusammen.« Tarweder sah sich um, und Dominique bemerkte, dass sein Gesicht noch hohlwangiger wirkte. »Etwas hat dafür gesorgt, dass der Brunnen nicht mehr funktioniert. Und etwas hält die Schneeflocken in der Luft.«
    »Sind wir phasenverschoben?«, fragte Dominique.
    Tarweder schüttelte den Kopf. »Nein. So wirkt das Gelbe nur auf die Turui. Und außerdem habe ich nichts davon genommen.«
    »Sehen wir uns die Gebäude an«, schlug Dominique vor.
    Tarweder faltete sein mobiles Haus zusammen, und sie beobachtete, wie es wieder zu einer kleinen Schachtel wurde, aus der ein roter Stift ragte.

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