Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
Erneut blieb es ihr ein Rätsel, was mit der Masse des Hauses geschah, trotz der Erklärungen des Alten – wie konnte Masse »ausgelagert« werden? Aber das Rätsel der veränderten Welt beschäftigte Dominique noch mehr, und auf dem Weg zu den Gebäuden dachte sie darüber nach. Als sie die kleine Siedlung erreichten, hatte sie eine Theorie entwickelt, wagte aber noch nicht, sie in Worte zu fassen. Es erschien ihr absurd, und es waren zu viele neue Probleme damit verbunden; etwas in ihr befürchtete, diese Schwierigkeiten herauszufordern, wenn sie darüber sprach.
»Die Außenwände sind für die Zeit des Eises verstärkt worden«, sagte Tarweder und deutete auf graubraune Verschalungen, die dort zu sehen waren, wo sich keine hohen Schneewehen gebildet hatten.
Auf der Suche nach einer Tür bemerkte Dominique ein hohes Fenster, darunter eine Schneewehe, die wie ein weißer Hang wirkte. Rasch kletterte sie nach oben, strich mühsam Raureif von den Scheiben und spähte ins Innere des Gebäudes. Einzelheiten konnte sie keine erkennen, aber sie glaubte, einen matten Lichtschein zu sehen. »Irgendwo in dem Gebäude brennt Licht!«, rief sie in die dunkle Stille.
»Ich habe eine Tür gefunden«, kam Tarweders Stimme aus der Düsternis.
Dominique kehrte über den weißen Hang nach unten zurück, eilte zur Vorderfront des Gebäudes und ärgerte sich dabei über die in der Luft hängenden Schneeflocken, die sie zu absurden Umwegen zwangen. Als sie zu dem Alten gelangte, zerrte er vergeblich an einem Öffnungsmechanismus. »Ich kriege sie nicht auf.«
Weder Schnee noch Eis blockierten die Tür; sie befand sich im Windschatten des Gebäudes. »Es ist das gleiche Problem wie mit den Schneeflocken«, sagte Dominique. »Man könnte meinen, die Ruhemasse der hiesigen Materie wäre enorm gewachsen.«
Sie hielt eine andere Erklärung für wahrscheinlicher, und wenn sie damit recht hatte, waren alle ihre Versuche, die Tür zu öffnen, zum Scheitern verurteilt. In Berm und Crama tastete sie danach, fühlte aber keine physische Präsenz, sondern nur einen Schatten vor ihr, als hätten Tür und Wand, das ganze Gebäude, für das Tal-Telas weniger Substanz als sonst.
»Wir springen hinein«, sagte Dominique, noch immer voller Enthusiasmus.
»Du meinst … teleportieren? Aber dadurch wirst du wieder ein Feuer entfesseln.«
Dominique lächelte. »Ich habe das Feuer besiegt, nicht wahr?«
Sie ergriff die Hand des Alten und hörte Kiwitts Gurren, als sie sich auf Elmeth und Fomion konzentrierte. Die Furcht vor dem brennenden Kontakt mit dem Flix existierte nicht mehr, und es gab auch keinen Grund für sie, denn das Flix war zwar heiß, aber es verbrannte nicht. Ein Blinzeln, und sie befanden sich auf der anderen Seite der Wand, im Innern des Gebäudes. Das Gefühl profunder Schwäche blieb aus; Dominique spürte nur ein kurzes Ziehen im Nacken, mehr nicht.
Kiwitt gurrte erneut – diesmal klang es fast nach einem Quieken –, und Tarweder brachte ihn mit einem »Pscht!« zum Schweigen.
Dominique lauschte und glaubte, ein dumpfes Brummen zu vernehmen.
»Hörst du das ebenfalls?«, fragte sie.
Tarweder nickte und deutete nach vorn. »Es kommt von dort.«
Das Gebäude schien ein Wohnhaus zu sein. Durch die hohen, von Raureif bedeckten Fenster fiel nur wenig Licht, doch es genügte, um die Einrichtung zu erkennen: einfache Möbel aus einem Material, das Dominique an Synthomasse erinnerte; Tische und Stühle, Schränke und Betten. Es gab nur wenige Geräte, und fast alle dienten der Kommunikation oder der Unterhaltung. Alle Türen standen offen, und sie blickten in ein leeres Zimmer nach dem anderen.
»Die Bewohner haben sich vor der Zeit des Eises in Sicherheit gebracht«, vermutete Tarweder. Kiwitt schaute aus seiner Manteltasche, und Dominique fühlte mehrmals seinen Blick.
Ein langer Flur führte tiefer ins Gebäude, und dort fanden sie das erste Blut. Es bildete kleine Flecken auf dem Boden, und Dominique bemerkte es nur, weil sie mit der ersten und zweiten Stufe des Tal-Telas in Verbindung stand, mit Alma und Berm, um in der Dunkelheit mehr zu sehen, als mit den Augen möglich war. Sie ging in die Hocke, betrachtete die Flecken aus der Nähe und berührte sie – das Blut fühlte sich hart an, hart wie Eis.
»Vielleicht hat sich jemand verletzt«, sagte Tarweder.
Die Tür am Ende des Flurs führte in eine Art Gemeinschaftsraum, und dort sah Dominique das matte Licht, das sie zuvor durchs Fenster gesehen hatte. Es kam
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