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Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)

Titel: Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Wänden des Turms kamen, und dann weiter, dorthin, wo die Ranken im Möbiusband verschwanden.
    Etwas stimmte nicht.
    »Du lügst«, sagte Dominique. »Du …«
    Der Käfer biss in ihre Gedanken, und sie beobachtete, wie ihre Hände nach dem ersten dicken Strang tasteten.
    »Ist es wichtig, ob ich lüge oder nicht?«, keifte Olkin hinter ihr. »Du wirst tun, was ich dir sage, und nur darauf kommt es an. Löse die Stränge! «
    Er konnte sie nicht selbst lösen, wusste Dominique, denn hier in der Prävalenz war er nur die Projektion eines Schlafenden. Gewisse Dinge schien er berühren zu können, wie das aus dem von ihm erschaffenen Universum stammende Kontrollgerät, aber seinem Einfluss in der Endlosen Stadt waren Grenzen gesetzt, das spürte Dominique ganz deutlich.
    Die Stimme der Intuition flüsterte weiter, und eine Erkenntnis reifte heran.
    »Du willst gar nicht erwachen«, sagte Dominique, während sich ihre Hände um den Strang schlossen – sie konnte sie nicht daran hindern. »Und es sind nicht die Verbindungen zu meinem Universum, die ich lösen soll. Die Stränge verbinden dich mit der Endlosen Stadt, mit der Prävalenz. Du willst dich von ihr lösen, um dich ganz in mein Universum zurückzuziehen.«
    »Es ist nicht dein Universum, sondern meins«, zischte Olkin und trat neben sie.
    »Du willst ganz in mein Universum wechseln und volle Kontrolle darüber gewinnen«, fuhr sie fort und versuchte, unbemerkt vom Käfer Kraft zu schöpfen. »Du willst wirklich zu seinem Gott werden.«
    »Es ist mein Universum. Ich kann damit machen, was ich will.«
    Der Turm bildete eine abstrakte Darstellung des von Olkin geschaffenen Universums, so wie auch die übrigen Gebäude der Stadt abstrakte Darstellungen von Universen waren. Aber im Gegensatz zu Ersterem waren sie fest in der Prävalenz verankert und hatten ihren Platz in der Endlosen Stadt gefunden. Der Turm hingegen gehörte zwar zur Stadt, war aber noch kein integraler Bestandteil von ihr – die anderen Gebäude zogen an ihm vorbei. Solange es keine vollständige Integration gab, blieb das Universum instabil. Olkin wollte die Verbindungen zur Stadt lösen, um ganz in seinen Kosmos einzutauchen, um ihn mit seinem Selbst zu durchdringen und ihn uneingeschränkt beherrschen zu können. Dominique stellte sich ein Universum vor, das nicht nur indirekt, sondern vollständig den Launen eines Olkin ausgeliefert war – der Gedanke ließ sie schaudern.
    Alles fügte sich zusammen, wie ein Puzzle, das nicht aus hundert oder tausend Teilen bestand, sondern aus Millionen oder Milliarden. Olkin hatte es genau geplant. Er war nur in einem sehr begrenzten Maß imstande, direkte Kontrolle auszuüben, aber er konnte gewisse Entwicklungen begünstigen und andere behindern. Er konnte Tendenzen schaffen und auf diese Weise über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg genug Wahrscheinlichkeit anhäufen, um bestimmte Situationen entstehen zu lassen. Dies war von Anfang an sein Ziel gewesen: die Loslösung seines Universums von der Prävalenz, eine wahrhaft unabhängige kosmische Existenz, mit ihm als allmächtigem Gott, der ganz nach Belieben schalten und walten konnte. Die endgültige Verwandlung eines Traums in Realität, wobei der Träumer zum Protagonisten seiner eigenen Welt wurde. Dominik hatte seinem Sohn Davvon die richtige Antwort auf die Frage gegeben, welchen Unterschied es zwischen Traum und Realität gab: keinen. Es war ähnlich wie bei Energie und Materie: Das eine ließ sich ins andere überführen; beides waren nur unterschiedliche Erscheinungsformen.
    Dass Dominique jetzt an diesem Ort stand, gesteuert von Kommandoprozessoren in ihrem Körper und einem fremden, kontrollierenden Element in ihrem Bewusstsein, dass sie sich anschickte, das zu vollbringen, was Olkin bei seinem Schöpfungswerk verwehrt geblieben war … Es war letztendlich die Konsequenz des Urknalls, der »richtigen Parameter«, wie ihr Vater es genannt hatte, das Ergebnis eines Plans, der nach ihren Zeitmaßstäben Jahrmillionen und Jahrmilliarden umspannte. Dominique glaubte nicht, dass es dabei um sie gegangen war, um ihre spezielle Person. Tendenzen und akkumulierte Wahrscheinlichkeit hatten jemanden wie sie hierherbringen sollen, jemanden, der in der Lage war, nach Heres zu gelangen, dort das Fünfte Dominium zu finden und von dort aus die Prävalenz zu erreichen. War Freiheit tatsächlich eine Illusion, wie Olkin und Nevoth behauptet hatten?
    Der Käfer zerriss alte Gedanken und knüpfte neue, weckte

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