Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
wahren Gestalt sah.
»In dieser Erscheinungsform finde ich mich hübscher, was meint ihr?«
Neben dem Ruhenden erschien der Wicht: hundertzwanzig Zentimeter klein und dürr, mit buckligem Rücken, haarlosem Kopf und runzligem Gesicht. Seine Bekleidung bestand aus einer Art Lendenschurz und einem zerschlissenen Hemd. Er stand neben dem Gläsernen auf einer Lichtschlange, die unter ihm zu einer weißen Stange erstarrt war. Als er tänzelte und zur Seite trat, bildeten sich weitere Stangen, und andere, die seine Sandalen zuvor berührt hatten, wurden wieder zu dahinkriechendem Licht.
»Findest du mich nicht attraktiv?«, fragte Olkin. Er stand plötzlich vor Dominique, stützte die Hände in die Hüften und sah zu ihr auf.
Der Käfer in Dominiques Bewusstsein hatte aufgehört, an ihren Gedanken zu knabbern – er rührte sich ebenso wenig wie die Dominanten. Die veränderten Menschen standen in den Zylindern und Dreiecken des Turms, mit gezogenen Waffen, und einer von ihnen hielt das Kontrollgerät für die Kommandoprozessoren in den Händen.
Olkin bemerkte ihren Blick. »Oh, mach dir ihretwegen keine Sorgen. Die Zeit und ihre Veränderungen haben sie eingeholt. Man könnte auch sagen: Der letzte Dominostein kippt. Aber zuvor …« Er sprang zu dem Dominanten mit dem Kontrollgerät und zog es ihm aus der Hand, beobachtete dann, wie die Gestalten mit dem silbernen Haar und den kobaltblauen Augen verschwanden, eine nach der anderen. »Sie haben nie existiert. So ein Universum ist eine wundervolle Bühne, und was man mit der Zeit alles anfangen kann …«
»Du kannst nichts mit ihr machen«, sagte Dominik. »Andernfalls hättest du sie längst manipuliert. Ein großer Teil deiner Macht ist nichts weiter als Lug und Trug.«
»Glaubst du?« Olkin wandte sich Dominik zu. »Du hast gesagt, hier …« Er vollführte eine Geste, die der Endlosen Stadt galt. »… könnte ich euch nichts anhaben. Aber vielleicht irrst du dich.«
Die langen Finger des Wichts betätigten die Kontrollen des Geräts, und Dominique beobachtete, wie ihr alter Vater plötzlich zu tanzen und schrill zu singen begann. Er drehte mehrere Pirouetten, verharrte abrupt, applaudierte sich selbst, schnitt dann eine Grimasse und streckte die Zunge heraus.
»Oder wie gefällt dir das?« Wieder tasteten Olkins Finger über die Kontrollen.
Dominik schrie, krümmte sich zusammen, sank zu Boden und blieb liegen.
Dominique wollte zu ihrem Vater eilen, aber die Kommandoprozessoren lähmten sie. Olkin trat langsam auf sie zu. »Vielleicht bist du einsichtiger als dein Vater.«
Der Käfer inmitten ihrer Gedanken wartete.
»Was willst du?«, brachte Dominique hervor.
»Nur ein bisschen Hilfe, weiter nichts.« Olkin deutete auf die zarte, schwebende Gestalt. »Du hast recht. Dies ist eine abstrakte Darstellung meines Universums. Viele Dinge verbinden mich damit, wie du siehst. Löse die dicksten Stränge.«
»Warum?«, fragte Dominique. Ihre Beine bewegten sich bereits und trugen sie zu dem Gläsernen. Als sie näher kam, sah sie feine Linienmuster in dem halbtransparenten Leib wie dünne Adern. Der Kopf war schmal und lang, wirkte fast wie der Kelch eines Glases mit dem Hals als Stiel.
»Weil ich nicht länger dort schlafen möchte. Ich will endlich erwachen und ganz in die Prävalenz zurück.« Olkin erschien neben Dominique, als sie an dem Zylinder mit dem Schlafenden stehen blieb. »Du kannst mein Universum haben. Ich schenke es dir. Dir und den anderen. Macht damit, was ihr wollt. Wenn ich erwache, erschaffe ich mir ein anderes.« Der Gnom zuckte mit den Schultern. »Keine Sorge. Es stimmt, was dein Vater gesagt hat. Dieses Universum ist längst unabhängig geworden. Es bleibt auch dann bestehen, wenn ich nicht mehr träume.«
Dominique wandte sich den Strängen zu, und dabei sah sie den Kantaki, der bisher hinter dem Glänzen und Schimmern einiger fraktaler Dreiecke verborgen gewesen war. Er hatte versucht, die Gestalt im Zylinder zu erreichen, war aber kurz vor dem Ziel seinen schweren Verletzungen erlegen. Sie dachte an Vater Mru im Fünften Dominium. Jetzt gab es nur noch ihn und die Eier, die er hütete.
»Worin besteht deine Krankheit?«, fragte Dominique und lauschte der Stimme ihrer Intuition.
»Ach, sie spielt eigentlich gar keine Rolle. Die anderen haben mich schlafen geschickt, damit ich gesund werde, und inzwischen bin ich gesund. Oder fast. Nur zu, löse die dicken Stränge.«
Dominiques Blick glitt zu den armdicken Ranken, die aus den
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