Kantaki 06 - Feuerträume (Graken-Trilogie 3)
alle Farben des Spektrums. Nektar staunte über die Lebenskraft und Freude der Natur – sie schien wie er zu hoffen. Andere begannen die Hoffnung zu verlieren. Er blickte kurz zum Himmel hoch, aber jetzt, am Tag, war natürlich nichts zu sehen. Nachts hingegen glühte die Divergenz am Firmament und machte deutlich, dass die Graken unterwegs waren. Divergenz , so nannten es die Wissenschaftler und verglichen die Erscheinung mit einer energetischen Linse. Wenn Nektar nachts das Glühen am Himmel über Kalaho sah, dachte er an ein hungriges Maul, das bald nach dem Planeten schnappen würde. Alles deutete darauf hin, dass ein neuer Dimensionstunnel entstand, nicht nur über Kalaho, sondern auch über den anderen zwanzig bewohnten Welten des Dutzends. Er erinnerte sich an die Bilder: ein gewaltiges Konstrukt, von einundzwanzig Sonnen umgeben. Und jede dieser Sonnen diente als Energiequelle für einen Tunnel.
Die Graken holten zum letzten Schlag gegen die Menschheit und ihre Verbündeten aus.
Vor dem Grab von Melange Hannibal Talasar, Mel genannt, blieb er stehen, blickte auf den schlichten Grabstein hinab und betrachtete das quasireale Bild, das eine lächelnde junge Frau zeigte. Jetzt, da er sich dem Höhepunkt seines Lebens nahe sah, konnte er sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder Trauer erlauben – Trauer um all jene, die ihn auf seinem langen Lebensweg für kurze Zeit begleitet hatten. Unter all den Personen, denen er begegnet war und die Bedeutung für ihn gewonnen hatten, nahm Mel einen besonderen Platz ein. Vor fünfundzwanzig Jahren war sie einen sinnlosen Tod gestorben, und er fragte sich, was geschehen wäre, wenn der Tod sie verschont hätte.
»Mit zunehmendem Alter bekommen wir oft Gelegenheit, uns solche Fragen zu stellen«, erklang eine vertraute Stimme in der Nähe.
Nektar drehte nicht einmal den Kopf, sah weiterhin aufs Grab hinab, auf die lächelnde Mel. »Welche Frage, Serena?«
Die Medikerin näherte sich. »Was wäre wenn?«, erwiderte sie und bewies damit, Nektars Gedanken erraten zu haben.
»Eigentlich eine sinnlose Frage, nicht wahr?«
»Nein«, widersprach Serena. »Es ist immer sinnvoll, gelegentlich über getroffene Entscheidungen nachzudenken und zu überprüfen, ob sie richtig waren. Man kann daraus lernen. Was halten Sie von Ihrer Entscheidung, in Ihrem Leben auf Freunde und sogar auf Liebe zu verzichten?«
Nektar betrachtete das quasireale Bild noch einige Sekunden länger, wandte sich dann vom Grab ab und deutete auf eine nahe Sitzbank. »Setzen wir uns.«
Er nahm Platz, lehnte sich zurück und streckte die Beine aus.
»Sie sehen entspannt und zufrieden aus«, sagte Serena und setzte sich ebenfalls. »Zu einer Zeit, in der die meisten Bewohner von Kalaho Angst haben.«
»Das Warten geht zu Ende.«
»Noch ist nicht entschieden, wer das Kommando bekommt«, sagte Serena, was zeigte, dass sie gut unterrichtet war, obwohl sie weder zur Planungsgruppe noch zum Präsidialen Stab gehörte.
Nektar sah sie kurz an und bemerkte, dass sich die Falten tiefer in ihr Gesicht gegraben hatten. Schon bei ihrer ersten Begegnung vor mehr als dreißig Jahren war sie recht alt gewesen, und inzwischen wirkte sie fast greisenhaft.
»Man wird es mir übergeben«, sagte er. Seit dem Gespräch mit Vantoga hatte er nicht einen Moment daran gezweifelt.
»Viele Leute haben sich für Sie ausgesprochen. Eine der Empfehlungen stammt von mir.«
Nektar sah sie erneut an. »Danke, Serena.«
Sie erwiderte seinen Blick. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
Er wusste, was sie meinte. »Ich habe immer so gelebt, wie ich es für richtig hielt. Der Krieg war mir Vater und Mutter.«
»Das gilt für viele von uns.«
»Ja. Mel hätte zweifellos eine wichtige Rolle in meinem Leben gespielt, wenn sie damals nicht gestorben wäre. Vielleicht hätten wir sogar Kinder gehabt … Niemand konnte sie ersetzen.«
»Niemand kann an die Stelle eines anderen Menschen treten. Aber …«
»Ich habe in ihrem Tod einen weiteren Hinweis des Schicksals gesehen und mich ganz meiner Aufgabe gewidmet.«
»Sie sind zu schicksalsgläubig, Nektar«, sagte Serena. »Mit einer solchen Einstellung riskiert man, den Kontakt zur Realität zu verlieren.«
»Wir haben oft darüber gesprochen. Ich spreche von ›Schicksal‹, weil ich kein besseres Wort dafür kenne. Von Kindesbeinen an war mir bewusst, was mich erwartet, und ich habe den Weg eingeschlagen, den ich vor mir sah. Er hat mich hierhergebracht.«
Nektar neigte
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