Kaperfahrt
Luft hob, ehe er ihn losließ. Der Schütze krachte auf das Dach, wobei der Atem in einer ranzigen Wolke aus seinem Körper herausgepresst wurde. Selbst wenn er sich nicht das Rückgrat gebrochen hatte, war er doch vorerst außer Gefecht gesetzt.
Auch wenn Linda oder Linc mitbekommen haben sollten, wie der erste Terrorist vom Güterwagen stürzte, befanden sie sich nicht in der geeigneten Position, um zu beobachten, was hinter ihnen geschah. Und da Juans Funkgerät aus seinem Ohr gerutscht war, hatte er keine Möglichkeit, sie zu warnen. Das Pig entfaltete seine volle Leistung, um das Tempo des Zugs zu drosseln, doch ohne die zusätzliche Bremse des Güterwagens wurden sie ständig schneller. Juan schätzte, dass sie mittlerweile mit fünfundvierzig Meilen pro Stunde über die Gleise rollten. Sie befanden sich zwar noch immer in einem Gefälle, aber die Kurvenkrümmung war bislang noch mäßig. Falls sie ihre Geschwindigkeit jedoch weiterhin steigerten, befürchtete er, den Zug nicht ausreichend abbremsen zu können, wenn sie auf die erste scharfe Kurve trafen.
Drei weitere Terroristen wagten den Sprung auf den Güterwagen. Zwei landeten auf dem Dach. Ein dritter prallte gegen die Seitenwand und krallte sich mit den Fingern an die Kante, um nicht abzustürzen.
Einer der Fanatiker kollidierte bei seiner Landung mit Juan, umschlang ihn mit einem Arm und stieß ihm eine Faust in die Nieren. Cabrillos Aufstöhnen, als Schmerzwellen durch seinen Körper wogten, versetzte den Mann in eine Raserei. Er schlug zweimal kurz hintereinander zu und grub seine Knöchel in Cabrillos Fleisch. Gleichzeitig spürte Juan, wie seine zweite FN Fife-seveN aus dem Holster gezogen wurde. Er warf sich wild herum, als der Mann auf sein Rückgrat feuerte. Das Geschoss versengte Cabrillos Hemd, bohrte sich dann aber in den Hals des zweiten Terroristen. Blut sprudelte im Rhythmus seines Herzschlags aus der Wunde.
Das Leben in pulsierendem Strom aus dem Körper seines Kameraden entweichen zu sehen mochte den Schützen vielleicht verwirren, doch der Anblick hatte auf Cabrillo keinerlei hemmende Wirkung. Juan riss die Pistole aus der schlaffen Hand des Mannes, machte einen Schritt zurück und schoss ihm zweimal ins Herz.
Beide Körper sanken gleichzeitig aufs Waggondach.
»Juan? Juan? Melde dich.«
Cabrillo setzte den Ohrhörer wieder ein und justierte das Mikrofon so, dass er es wieder benutzen konnte. »Hier bin ich.«
»Wir müssen bremsen!«, rief Linc. »Sofort!«
Juan sah nach vorne. Sie kamen aus der Kurve, und die Gleise senkten sich für einhundert Meter vor einer weiteren, diesmal scharfen Biegung nach rechts. Er rannte zum Handrad der Bremse und hatte es fast schon erreicht, als der Terrorist, der sich nach seinem Dafürhalten das Rückgrat gebrochen haben musste, einen Arm ausstreckte und ihn ins Stolpern brachte. Cabrillo fiel der Länge nach hin und fand keine Zeit, sich von dem Sturz zu erholen, als sich der Mann schon auf ihn warf und mit den Fäusten bearbeitete. Hinter den Schlägen lag zwar keine Kraft, aber Juan blieb nichts anderes übrig, als sich zu verteidigen, während der Zug der Kurve entgegenraste.
Er spürte einen leichten Abwärtsknick im Gleis und wusste, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben. Er zog die Knie an die Brust und schaffte es, die Füße auf den Rippen des Terroristen zu platzieren. Dann schleuderte er ihn mit einem Judogriff über seinen Kopf. Der Mann krachte rücklings auf das Dach. Juan wirbelte herum und rammte seinen linken Ellbogen gegen die Kehle des Mannes. Das Knirschen von Knorpel, Sehnen und Fleisch erregte Übelkeit.
Sobald Juans Finger das Handrad umfassten, begann er es mit aller Kraft zu drehen. Sie rollten mit fünfzig Meilen in der Stunde in eine Kurve, die sie mit höchstens dreißig hätten nehmen können. Die Bremsen kreischten und erzeugten einen wahren Funkenregen, als sie in die Biegung einfuhren. Juan wusste, es war zu spät. Viel zu spät.
Die Fliehkräfte drückten den Güterwagen auf die Außenräder, und trotz seines enormen Gewichts verloren sie den Kontakt mit den Schienen. Juan drehte am Handrad, bis es sich nicht mehr rührte. Hinter ihm heulte der Motor des Pig von dem Lachgas auf, das Linc in die Zylinder geleitet hatte. Gummi wurde von den luftlosen Reifen abradiert, während sie auf den Stahlgleisen durchdrehten. Die Außenräder des Güterwagens tanzten auf den Gleisen, hoben ab, fielen zurück, hoben wieder ab. Er wünschte sich, sich bei den Männern
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