Kapitän Singleton
sie unser Gepäck trugen, wandte er sich vor den anderen an mich. „Kapitän Bob“, sagte er, „ich denke, Ihr müßt unser Befehlshaber sein, denn Euch verdanken wir den ganzen Erfolg dieses Unternehmens.“ – „Nein, nein“, sagte ich, „macht mir keine Komplimente. Ihr werdet unser Seignior Capitanio sein –
Ihr werdet der General sein, ich bin zu jung dafür.“ So kamen wir also alle überein, daß er uns führen solle, aber er wollte es nicht allein übernehmen, sondern mich zu seiner Hilfe haben, und da alle übrigen zustimmten, war ich gezwungen anzune hmen.
Die erste Aufgabe, die sie mir in dieser neuen Kommandotä-
tigkeit übertrugen, war eine so schwierige, wie sie sie nur zu erdenken vermochten, nämlich die Gefangenen zu bändigen, was ich jedoch recht guten Muts übernahm, wie der Leser bald hören wird. Die allererste Beratung aber war von noch größerer Bedeutung; dabei ging es erstens darum, welchen Weg wir wählen und zweitens, wie wir uns für die Reise mit Proviant versorgen wollten.
Unter den Gefangenen befand sich ein großer, gutgewachse-ner, hübscher Bursche, dem die übrigen viel Achtung zu erweisen schienen; er war, wie uns später klar wurde, der Sohn 75
eines ihrer Könige. Den Vater hatte wohl unsere erste Salve getötet, und er selbst hatte eine Schußwunde am Arm sowie eine zweite am Oberschenkel oder an der Hüfte. Da dies eine Fleischwunde war, blutete sie stark, und er war vom Blutver-lust halb tot. Was die Kugel im Arm betraf, so hatte sie ihm ein Handgelenk gebrochen, und durch diese beiden Verwundungen war er völlig arbeitsunfähig, so daß wir ihn dem Tode überlassen wollten. Hätten wir es getan, dann wäre er freilich innerhalb von wenigen Tagen gestorben, da ich aber bemerkte, daß der Mann Achtung ge noß, kam mir der Gedanke, er könne uns vielleicht nützlich und möglicherweise eine Art Vorgesetzter der anderen werden. So veranlaßte ich unseren Schiffsarzt, ihn zu behandeln, und redete dem armen Kerl gut zu, das heißt, ich machte mich ihm, so gut ich konnte, durch Zeichen verständlich, damit er begriff, daß wir ihn wieder gesund machen wollten.
Dies erweckte in ihnen neue Ehrfurcht vor uns, denn sie glaubten, ebenso wie wir durch etwas ihnen Unsichtbares (denn das waren unsere Kugeln ja tatsächlich) aus der Ferne zu töten vermochten, könnten wir sie auch wieder heilen. Darauf rief der junge Prinz (so nannten wir ihn später) sechs oder sieben der Wilden herbei und sagte etwas zu ihnen; was es war, wußten wir nicht, aber sogleich kamen alle sieben zu mir, knieten vor mir nieder, hoben die Hände empor und machten Gebärden des Flehens, wobei sie auf die Stelle zeigten, wo einer von denen lag, die wir getötet hatten.
Es dauerte lange, bevor ich oder irgend jemand von uns sie verstand; einer der Gefangenen aber lief fort und hob einen Toten auf; er deutete auf seine Wunde im Auge, denn er hatte einen Kopfschuß, der durch ein Auge eingedrungen war. Dann wies ein anderer auf den Schiffsarzt, und endlich begriffen wir, daß es bedeutete, er solle auch des Prinzen Vater heilen, der infolge eines Kopfschusses, wie oben beschrieben, tot war.
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Wir verstanden die Aufforderung, wollten aber nicht sagen, daß wir dessen unfähig waren, sondern gaben ihnen zu verstehen, daß die Getöteten diejenigen waren, die uns als erste überfallen und uns herausgefordert hatten; wir seien keineswegs willens, sie wieder lebendig zu machen, und wenn andere handelten wie sie, dann würden wir sie gleichfalls töten und sie nie wieder leben lassen. Wenn er (der Prinz) aber mit uns kommen und unseren Anweisungen folgen wolle, würden wir ihn nicht sterben lassen und seinen Arm wieder gesund machen. Darauf schickte er seine Leute aus, ihm einen langen Stock oder Stab zu holen, und legte sich auf den Boden nieder.
Als sie den Stecken brachten, sahen wir, daß es ein Pfeil war.
Er ergriff ihn mit der linken Hand (denn die andere hatte seine Wunde gelähmt), hielt ihn zur Sonne empor, zerbrach ihn in zwei Stücke, setzte die Spitze auf seine Brust und übergab sie dann mir. Dies hieß, wie ich später verstand, er wünsche, daß die Sonne, die sie anbeteten, ihm einen Pfeil durch die Brust schießen möge, wenn er jemals aufhörte, mein Freund zu sein, und daß er mir die Pfeilspitze übergab, bedeutete, ich sei der Mann, dem er geschworen hatte; und niemals hielt ein Christ seinen Eid gewissenhafter als er diesen, denn danach war er viele von Mühsal erfüllte Monate
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