Kapitän Singleton
hätte mißachten können, und da wir durch unsere stumme Zeichensprache mit den Einheimischen erfuhren, daß am jenseitigen Fuß der Bergkette, bevor wir zu der Wüste gelangten, ein paar Menschen lebten, beschlossen wir, uns, sei es durch lautere oder durch unlautere Mittel, dort Führer zu beschaffen.
Aus einer ungefähren Berechnung schlossen wir, daß wir uns nun siebenhundert Meilen weit von der Küste befanden, von der wir ausgegangen waren. Unseren schwarzen Prinzen befreiten wir an diesem Tag von der Schlinge, in der sein Arm hing, da unser Wundarzt ihn völlig geheilt hatte; der Prinz zeigte ihn in ganz gesundem Zustand seinen Landsleuten, und es erstaunte sie sehr. Auch unsere beiden Neger begannen sich zu erholen und ihre Verletzungen langsam zu heilen, denn unser Wundarzt behandelte sie auf sehr geschickte Weise.
Nachdem wir mit unendlicher Mühe die Berge bestiegen hatten und das dahinterliegende Land überschauten, hätte der Anblick tatsächlich das tapferste Herz, das je geschaffen 102
wurde, erschüttern können. Vor uns lag eine riesige öde Wüste
– kein Baum, kein Fluß, nichts Grünes war zu sehen; soweit das Auge blickte, nichts als nur glühendheißer Sand, den der Wind in Wolken umherwirbelte, die Mensch und Tier zu überwältigen drohten. Wir vermochten auch kein Ende dieser Wüste zu erkennen, weder vor uns in der Richtung unseres Weges noch rechts oder links, so daß unsere Leute wahrhaftig den Mut zu verlieren begannen und davon sprachen, wieder umzukehren. Wir konnten auch wirklich nicht daran denken, uns durch ein so schreckliches Gebiet zu wagen, in dem wir nichts als nur den sicheren Tod sahen.
Der Anblick beeindruckte mich ebenso wie die übrigen, trotzdem aber vermochte ich den Gedanken, wieder umzukehren, nicht zu ertragen. Ich erklärte ihnen, wir seien nun siebenhundert Meilen weit marschiert, und die Vorstellung, den Weg noch einmal zurückzulegen, sei schlimmer als der Tod; und wenn sie glaubten, es sei unmöglich, die Wüste zu durchqueren, dächte ich, wir sollten lieber unsere Marschric htung ändern und südwärts ziehen, bis wir zum Kap der Guten Hoffnung kämen, oder nach Norden, zum Land am Nil, wo wir vielleicht irgendeine Gelegenheit fänden, zum westlichen Meer hinüberzugelangen; denn gewiß sei ja nicht ganz Afrika eine Wüste.
Unser Geschützmeister, der, wie ich schon berichtete, unser Führer war, was die Ortsbestimmung anging, sagte, er wisse nicht, wie er sich zu dem Vorschlag, bis zum Kap zu wandern, äußern sollte, denn die Entfernung sei riesig groß, nicht unter fünfzehnhundert Meilen von der Stelle, an der wir uns gege n-wärtig befanden. Nach seiner Berechnung hätten wir jetzt ein Drittel des Weges bis zur Küste von Angola zurückgelegt, wo wir an den westlichen Ozean kämen und vielleicht die Möglichkeit für eine Heimkehr hätten. Andererseits, so versicherte er und zeigte es uns auf einer Karte, wenn wir uns nach Norden wandten, ragte die Westküste Afrikas über tausend Meilen weit 103
nach Westen hin ins Meer hinaus, so daß wir danach eine ebenso lange und noch längere Landstrecke zu durchqueren hätten, von der wir nicht wußten, ob sie nicht genauso wild, kahl und öde war wie diese hier. Deshalb schlage er alles in allem vor, wir sollten uns durch die vor uns liegende Wüste wagen; vielleicht erwiese sie sich als nicht ganz so groß, wie wir fürchteten. Auf jeden Fall empfehle er, wir sollten überprü-
fen, wie weit wir mit unseren Vorräten kämen, besonders mit denen an Wasser, und uns nur halb so weit wagen, wie unser Wasser reichte; wenn wir dann feststellten, daß die Wüste kein Ende hätte, könnten wir ohne Gefahr wieder umkehren.
Dieser Rat war so vernünftig, daß wir ihn alle guthießen, und dementsprechend berechneten wir, daß wir in der Lage waren, Vorräte für zweiundvierzig Tage mit uns zu führen, jedoch nur genügend Wasser für zwanzig Tage und dabei annehmen mußten, daß es schon vor dieser Zeit zu stinken begänne. So kamen wir zu dem Schluß, daß wir umkehren wollten, wenn wir innerhalb von zehn Tagen kein Wasser fänden; träfen wir aber auf Wasser, dann konnten wir einundzwanzig Tage weit ziehen, und wenn wir bis dahin kein Ende der Wüste sahen, wollten wir gleichfalls zurückkehren.
Mit dieser Festlegung unserer Maßnahmen stiegen wir die Berge hinab und erreichten die Ebene erst am zweiten Tag.
Dort stießen wir aber zu unserem Trost auf einen schönen kleinen Bach mit ausgezeichnetem Wasser,
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