Kapitän Singleton
sie müßten nordwärts bis nach Jamaika segeln oder dort an der Küste verkaufen. Dies war eine sehr plausible Erklärung, die leicht Glauben fand, und wenn man die Fahrweise der 210
Neger sowie das, was ihnen unterwegs geschehen war, in Betracht zieht, dann stimmte jedes Wort davon.
Auf diese Art und da sie redlich miteinander waren, galt William als das, was er tatsächlich war – ich meine, ein sehr ehrlicher Kerl, und mit Hilfe eines Pflanzers, der ein paar von seinen Nachbarn benachrichtigte und den Handel unter den Pflanzern in die Hand nahm, fand William rasch einen Markt, denn in weniger als fünf Wochen verkaufte er alle seine Neger und schließlich auch das Schiff selbst. Danach schiffte er sich und seine zwanzig Mann mit zwei Negerknaben, die ihm noch geblieben waren, auf einer Schaluppe ein, einer von denen, welche die Pflanzer zum Schiff geschickt hatten, um die Neger abholen zu lassen. Mit dieser Schaluppe stach Kapitän William, wie wir ihn nun nannten, in See und fand uns bei Fort St. Pedro, bei zweiunddreißig Grad dreißig Minuten südlicher Breite.
Nichts überraschte uns mehr, als eine Schaluppe längs der Küste herankommen zu sehen, welche die portugiesische Flagge führte und geradenwegs auf uns zulief, nachdem wir sicher waren, daß sie unsere beiden Schiffe entdeckt hatte. Als sie näher kam, schossen wir eine Kanone ab, um sie zu veranlassen, vor Anker zu gehen, sogleich aber gab sie zum Gruß fünf Kanonenschüsse ab und hißte die englische Flagge.
Nun errieten wir, daß es unser Freund William war, fragten uns aber, was es wohl bedeuten mochte, daß er auf einer Schaluppe kam, wo wir ihn doch auf einem Schiff von fast dreihundert Tonnen fortgeschickt hatten; bald jedoch weihte er uns in die ganze Geschichte seiner Geschäftstätigkeit ein, und wir hatten allen Grund, sehr zufrieden damit zu sein.
Sobald er mit der Schaluppe vor Anker gegangen war, kam er an Bord meines Schiffs und berichtete uns dort, wie er mit Hilfe eines portugiesischen Pflanzers, der in der Nähe der Küste wohnte, begonnen hatte, Handel zu treiben, wie er an Land und zum ersten Haus gegangen war, das er sah, und den 211
Besitzer gebeten hatte, ihm ein paar Schweine zu verkaufen, wobei er zuerst so tat, als habe er die Küste nur angelaufen, um Trinkwasser zu übernehmen und Proviant einzukaufen. Der Mann ließ ihm nicht nur sieben fette Schweine ab, sondern forderte ihn auch auf, ins Haus zu kommen, und setzte ihm sowie den fünf Leuten, die er bei sich hatte, ein ausgezeichnetes Mahl vor. Darauf lud William den Pflanzer ein, ihn an Bord seines Schiffs zu besuchen, und gab ihm, um ihm seine Güte zu entgelten, für seine Frau ein Negermädchen.
Dies verpflichtete den Pflanzer dermaßen, daß er ihm am nächsten Morgen mit einem großen Gepäckboot eine Kuh und zwei Schafe sowie eine Kiste mit Eingemachtem und etwas Zucker nebst einem großen Sack Tabak an Bord sandte, und er lud Kapitän William nochmals an Land ein. Danach erwiesen sie einander fortlaufend Gefälligkeiten und begannen, über den Verkauf einiger Neger zu sprechen. William gab vo r, ihm einen Gefallen zu tun, und erklärte sich bereit, ihm dreißig Neger zu seiner persönlichen Verwendung auf seiner Plantage abzulassen, wofür er ihm bar in Gold den Preis von fünfunddreißig Moidors pro Kopf bezahlte. Der Pflanzer mußte sie jedoch mit großer Vorsicht an Land schaffen, und deshalb veranlaßte er William, den Anker zu hieven, auszulaufen und dann fünfzig Meilen weiter nördlich in einem kleinen Schlupfhafen wieder einzulaufen, wo er die Neger auf einer anderen Plantage, die einem Freund von ihm gehörte, dem er ansche inend vertrauen konnte, an Land brachte.
Durch diesen Abstecher gelangte William in noch engere Berührung, nicht nur mit dem ersten Pflanzer, sondern auch mit dessen Freunden, die ebenfalls einige der Neger erwerben wollten, und sie kauften einer nach dem anderen so viele, daß schließlich ein Großplantagenbesitzer die letzten hundert Neger, die William noch hatte, übernahm und sie mit einem anderen Pflanzer teilte. Dieser feilschte mit William um das Schiff mit allem Zubehör und gab ihm zum Entgelt eine sehr 212
hübsche, große, gutgebaute Schaluppe von fast sechzig Tonnen, die bestens ausgerüstet war und sechs Kanonen führte; später aber erhöhten wir deren Anzahl auf zwölf. William hatte als Zahlung für das Schiff neben der Schaluppe auch dreihundert Moidors in Gold erhalten, und dieses Geld benutzte er, um die
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