Kapitän Singleton
Anker zu gehen, da wir nicht wußten, wen wir vor uns hatten und was sie gegen uns unternehmen mochten, wenn sie erfuhren, wer wir waren. Da wir jedoch Trinkwasser brauchten, schickten wir die beiden Boote, die zum portugiesischen Kriegsschiff gehörten, ausschließlich mit portugiesischen Matrosen und Negern bemannt, zur Wasserstelle, um Wasser zu übernehmen; inzwischen hißten wir auf See eine portugiesische Flagge und blieben die ganze Nacht dort liegen. Sie wußten nicht, wer wir waren, anscheinend aber hielten sie uns für alles andere als das, was wir in Wirklichkeit waren.
Nachdem unsere Boote am nächsten Morgen gegen fünf Uhr zum drittenma l vollbeladen zurückgekehrt waren, glaubten wir, genügend mit Wasser versorgt zu sein, und liefen mit östlichem Kurs aus; bevor unsere Leute aber, während von Westen eine leichte Brise wehte, zum letztenmal zurückgekehrt waren, bemerkten wir im Morgengraue n ein Boot unter Segeln, das sich beeilte aufzukommen, wie aus Furcht, wir könnten auslaufen. Wir stellten bald fest, daß es ein englisches Groß-
boot, gedrängt voller Leute, war. Wir vermochten uns nicht vorzustellen, was das bedeutete, aber es war ja nur ein einziges 215
Boot, und so dachten wir, es könne nicht viel schaden, wenn wir dessen Männer an Bord ließen, und falls es sich ergab, daß sie nur kamen, um sich zu erkundigen, wer wir waren, wollten wir ihnen gründlich Auskunft über unsere Geschäfte geben, indem wir sie mitnahmen, da wir so dringend Leute brauchten.
Sie ersparten uns aber die Mühe des Zweifelns, was wir mit ihnen anstellen sollten, denn offensichtlich hatten unsere portugiesischen Matrosen, die Wasser holten, am Brunnen nicht so geschwiegen, wie wir geglaubt hatten. Die Sache war, kurz gesagt, die: Kapitän… (ich nenne gegenwärtig aus einem ganz bestimmten Grund seinen Namen nicht), der Kapitän eines Handelsschiffs, das nach Ostindien fuhr und dann Kurs auf China nehmen wollte, hatte einen Anlaß gefunden, sich sehr streng gegenüber seinen Leuten zu verhalten, und einige von ihnen bei St. Helena sehr hart behandelt, so daß sie in Gesprächen untereinander drohten, das Schiff bei der ersten besten Gelegenheit zu verlassen, und sich diese Gelegenheit schon lange herbeiwünschten. Anscheinend waren einige von ihnen am Brunnen auf unser Boot gestoßen und hatten gefragt, wer wir seien, und ob nun die portugiesischen Matrosen bei ihrer Auskunft durch ein Stottern den Verdacht in ihnen weckten, daß wir uns auf Kaperfahrt befanden, oder ob sie es ihnen in schlichtem Englisch erzählten (denn alle sprachen genügend Englisch, um sich verständlich zu machen), jedenfalls verbreiteten die Leute an Bord die Nachricht, die Schiffe, die im Osten auf Reede lagen, seien englische Fahrzeuge und gingen auf Freibeute aus, was ein Seemannsausdruck für Seeräuberei war. Sobald die Männer also davon hörten, begaben sie sich ans Werk, machten in der Nacht ihre Sachen bereit, ihre Seemannskisten, Kleidungsstücke und so weiter, gingen vor Tagesanbruch von Bord und waren gegen sieben Uhr bei uns angekommen.
Als sie längsseits des Schiffs, das unter meinem Befehl stand, gelangt waren, riefen wir sie auf die übliche Weise an, um zu 216
erfahren, wer sie waren und was sie vorhatten. Sie antworteten, sie seien Engländer und wünschten an Bord zu kommen. Wir erklärten ihnen, sie dürften am Schiff anlegen, befahlen aber, daß sie nur einen Mann an Bord senden sollten, bis unser Kapitän ihre Absichten kannte, und er müßte unbewaffnet kommen. Sie sagten, ja, von Herzen gern.
Gleich darauf erfuhren wir ihre Absicht, nämlich daß sie mit uns fahren wollten; was ihre Waffen betraf, so schlugen sie vor, wir sollten Leute an Bord ihres Boots schicken, dann wollten sie uns alle übergeben, und so geschah es. Der Bursche, der zu mir heraufgekommen war, erzählte mir, wie ihr Kapitän sie behandelt hatte, daß er sie hatte hungern lassen und mit ihnen umgesprungen war, als seien sie Hunde, und wenn die übrige Mannschaft wüßte, daß wir sie aufnähmen, sei er gewiß, zwei Drittel würden das Schiff noch verlassen. Wir sahen, daß die Burschen sehr fest entschlossen und recht tatkräftige Seeleute waren; ich erklärte ihnen also, ich wolle nichts ohne unseren Admiral tun, der der Kapitän des anderen Schiffs sei, sandte me ine Pinasse zu Kapitän Wilmot hinüber und bat ihn, zu mir an Bord zu kommen. Er fühlte sich jedoch nicht wohl, und da er leewärts lag, ließ er sich entschuldigen und
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