Kaputt in El Paso
ich das leere Bett neben mir nach ihr abtastete. Das waren die grausamsten Träume.
Nach ungefähr einem Monat hörte ich auf, von ihr zu träumen, was nicht hieß, dass ich nicht an sie dachte. Nur gestand ich mir endlich ein, dass dieses Glück, das Güero und Xochi miteinander teilten, niemals an uns haften geblieben wäre. Wir beide waren aus einem anderen Holz geschnitzt. Wir beide wollten mehr, wenn auch keiner von uns jemals zu sagen vermocht hätte, was darunter zu verstehen sei.
Der Trauergottesdienst für Sam wurde in Jesajas Kirche abgehalten, einer schwarzen Baptistenkirche. Maggie, der eine oder andere Freund aus Armeetagen und ich waren die einzigen weißen Gesichter in der kleinen Trauergemeinde. Der Pfarrer hatte Sam nie kennen gelernt, doch seine Grabrede geriet zur Eloge an einen Kriegshelden, der eine bunte Familie gegründet und seine Kinder zu respektablen Bürgern erzogen hatte. Bis auf Moses, den er überhaupt nicht erwähnte, wurde jeder von uns mit begeisterten Worten gewürdigt: Zacharias, der Firmenanwalt und Kosmopolit, Zipporah, die Schuldirektorin, Jesaja, der hart arbeitende Familienvater, und ich, der Manager eines Apartmentkomplexes und ehemalige Athlet und Wettkampfchampion. Er bezeichnete mich nicht als Bodybuilder, weil die Erwähnung dieses narzisstischen Körperkults vermutlich in der Kirche nicht gut ankäme.
Moses war immer noch in La Xanadu. Um ihm dort einen weiteren Monat zu ermöglichen, hatte ich meine ganzen Reserven einsetzen müssen und war jetzt pleite. Jesaja meinte, er könne mich bei UPS als Aushilfsfahrer unterbringen. Ich versprach, darüber nachzudenken. Ich dachte auch über Güeros Angebot nach, der mich gern hinter der Bar des La Paloma sähe, seines neuen Ladens in Juárez. Ich müsste mein Spanisch ein wenig aufmöbeln, doch die Bezahlung war ordentlich, das Leben in Mexiko billiger und vermutlich weniger deprimierend als der Kontakt mit den Elendsgestalten, die durch das Baron Arms geisterten.
Mein vernachlässigter Briefkasten quoll über, das meiste davon Ausschuss. Ich schaffte die Ladung in mein Apartment und warf sie auf den Tisch. Beim Sichten flog ein Großteil direkt in den Papierkorb. Zwischen der ganzen Werbung befand sich ein Brief von Gert. Er war ziemlich schwer, als enthielte er ein amtliches Dokument. Aber es war ein mehrseitiger Brief, abgefasst in der Handschrift eines Schulmädchens.
Ihr Stockcar-Rennfahrer Trey Stovekiss war tödlich verunglückt. »Sie waren zu viert in der Nordkurve«, schrieb sie, »und als Trey die Wand berührte und wieder herunterkam, stieg ihm ein Thunderbird aufs Dach, und dann ist ihnen ein blutiger Anfänger mit seinem Trans Am voll in die Breitseite gefahren. Treys Camaro wurde in alle Einzelteile zerlegt. Trey hatte keine Chance.«
Allein, schwanger und völlig blank, hockte Gert jetzt irgendwo in Georgia. Finanziell in der Klemme, konnte sie nicht mal mehr die Anwälte bezahlen, die mir hatten Dampf machen sollen. Sie wollte wieder nach Hause. »Ich kenne jetzt dein Problem«, schrieb sie, »und wahrscheinlich ist es das gleiche Problem, das ich habe. In Atlanta habe ich eine Therapeutin aufgesucht und die meint, dass Menschen wie du, verstehst du, Menschen, die viel über sich nachdenken, sich Gedanken über ihr Äußeres und so machen, und ich schätze, da gehöre ich auch dazu, diese Sache haben, die man Bindungsstörung nennt. Es fällt ihnen, ich meine, es fällt dir und wahrscheinlich auch mir schwer, sich auf andere einzulassen. Das fängt schon in der Kindheit an. Du wurdest von dem Menschen im Stich gelassen, der dich zur Welt gebracht hat, von daher ist es kein Wunder, dass du so bist. Meine Kindheit verlief ganz okay, glaube ich, trotzdem hat die Therapeutin, Doktor Loftus, bei mir eine marginale Bindungsstörung diagnostiziert. Mildred. Sie möchte, dass ich sie Mildred nenne. Wenn man in der Lage ist, in Worte zu fassen, was mit einem nicht stimmt, sagt sie, ist das schon ein Riesenschritt. Ich habe mir gedacht, dass wir vielleicht, wirklich nur vielleicht, die Dinge zwischen uns wieder geraderücken können. Was meinst du, Uri? Ich habe dich schlecht behandelt, aber ich habe dich nie vergessen. Liebst du mich denn noch ein kleines bisschen? Ich könnte verstehen, wenn du jetzt nein sagst, ich und schwanger, und dann auch noch mit Treys Kind, aber das Baby muss doch nun wirklich nicht die Fehler der Erwachsenen ausbaden, es hat doch ein Recht auf eine Familie, die es liebt, wo es
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