Kaputt in El Paso
freilich konstatieren, dass es sich um eine Kunst handelt, für die die früher durchaus begierig danach verlangenden Zeitschriften nicht mehr viel Platz oder Geld haben.
Viele Jahre lang hat DeMarinis deshalb auf andere Weise seinen Lebensunterhalt verdient – nicht als Schriftsteller, sondern als Dozent an diversen, freilich wenig prestigeträchtigen amerikanischen Colleges. Ein Schicksal, das er mit seinem Freund James Crumley teilt oder auch mit einer ihm nicht unähnlichen, der Literatur durch sträfliches Desinteresse der Verlage inzwischen abhanden gekommenen Figur: Tom Kakonis, der ein paar der literarisch ambitioniertesten, stilistisch brillantesten Romane der amerikanischen Kriminalliteratur der 80er und 90er Jahre schrieb, dann aber nicht mehr genug Bücher verkaufte und ins Nirgendwo abtauchte.
DeMarinis aber hat immer weitergemacht und der Ignoranz von Publikum und Betrieb tapfer getrotzt. Zuletzt hat er in El Paso unterrichtet, der texanisch-mexikanischen Grenzstadt, für die diejenigen, die sie kennen, manches Adjektiv gefunden haben. Pittoresk ist nicht darunter, liebenswert auch nicht. DeMarinis hat sich inzwischen in den Ruhestand nach Missoula im schönen Bundesstaat Montana zurückgezogen, aber nicht ohne dem Universitätsmilieu noch eine bitterböse Satire hinterherzuschreiben, die bitterböse Campus Novel A Clod of Wayward Marl (2001). Und in Kaputt in El Paso findet sich eine Art verschobenes, vermutlich einen nie verwirklichten Wunsch des Autors verkörperndes Selbstporträt. Güero, der eine Kneipe besitzt und an deren Wänden Beispiele für Grammatikfehler ausstellt, hat seinen Job an der University of Texas verloren, weil er einem impertinenten Kollegen einen Fausthieb verpasste.
Fausthiebe, wenngleich der literarischen Art, sind auch die Kurzgeschichten und Romane von Rick DeMarinis. Man hat seine Texte als ›schwarze Komödien‹ bezeichnet. Komisch sind sie weiß Gott, dennoch muss man die Betonung auf schwarz legen. Die Lage ist so ernst, so könnte sein Credo lauten, dass ihr nur finsterster Spott beikommt. Angesichts einer solchen Weltanschauung ist der alles in allem doch durchschlagende Misserfolg des Schriftstellers vielleicht kein Zufall. Etwas anderes jedenfalls als die Sorte Pech, der der große James Crumley im kurzen Vorwort zum amerikanischen Original von Kaputt in El Paso ironisch die Schuld gibt: »Er hat fast so viel Pech gehabt wie ich. Verleger, die von gelangweilten Aliens entführt wurden, Agenten, die sich vor allem auf ungedeckte Schecks und Unterschlagung verstanden, Kritiker von der Intelligenz eines abgenutzten Pferdesattels.« Man muss in Wahrheit weder groß spekulieren noch an Verschwörungstheorien glauben, um festzustellen, dass einer wie DeMarinis im Establishment keine Chance hatte.
Zu ›Kaputt in El Paso‹
Man muss stattdessen einfach nur lesen, was er schreibt. Zum Beispiel eben das jüngste Werk Kaputt in El Paso, mit dem sich DeMarinis der Kriminalliteratur nicht nur – wie bisher immer mal wieder – nähert. Wie in allen großen Werken des Genres ist es hier der Gegenstand, der nach der Form verlangt. (Nebenbei gesagt: Eben deshalb erledigt sich bei den Meisterwerken der Kriminalliteratur ebendieser Genre-Begriff, wird hilf- und kraftlos und sagt im Grunde gar nichts mehr über den Text.) Kaputt in El Paso ist nicht weniger als eine große Weltkomödie des Verbrechens, aber der bitteren Art, ein ›funferal‹, um eine von James Joyce geprägte Formel zu verwenden, die hier trifft. Ein großer Spaß, ein Lesevergnügen, aber auch eine Beerdigung, ein Abgesang, eine dem Nihilismus sich nähernde Darstellung des Lebens in der schlechtesten aller möglichen Welten.
Kaputt in El Paso lautet die prosaische, von DeMarinis mit gutem Grund autorisierte Übersetzung des poetischer zumindest klingenden Titels des Originals: Sky Full of Sand. Die Wahrheit über den Autor Rick DeMarinis liegt nicht dazwischen, sondern in der Juxtaposition. Brutal nämlich steht in seinen Büchern das Schöne neben dem Hässlichen. Genauer muss man sagen: Der hässlichen, der kaputten und mehr als kaputten Welt, die er beschreibt, die er sich, seinen Figuren und seinen Lesern zumutet, begegnet er mit der Kraft seiner Sprache, der Lust an der Beschreibung jener Tiefen der Existenz, die nicht einmal mehr Abgründe sind. Als Sinnbild für das schockierende Nebeneinander ohne wirkliche Vermittlung kann eine Figur des Romans stehen, die einen kurzen, aber unvergesslichen
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