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Kaputt in El Paso

Kaputt in El Paso

Titel: Kaputt in El Paso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick DeMarinis , Frank Nowatzki , Angelika Müller
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DMZ. Abgesehen von einem betuchten Pärchen war die Bar leer. Es waren Abenteurer der feineren Art, die über die trüben Gewässer meiner Nachbarschaft kreuzten. Die Frau sah aus wie erstarrtes Wachs, der feiste Typ auf dem Barhocker neben ihr hingegen wie Wachs in einem frühen Schmelzintervall. Drahtig, zierlich, war sie Form und Farbe in einer Konzentration, die die Augäpfel schmirgelte wie sonst nur Wüstensand. Der schwammige Knabe in ihrer Begleitung trug einen dunklen Zweireiher mit Nadelstreifen – Bankerkluft, aber er war kein Banker. Der rote Iro, der seinen weißen Schädel zweiteilte und in einem Pferdeschwanz mündete, ließ diesbezüglich keinen Zweifel aufkommen. Dennoch, er hatte Geld. Aufgefächert lagen sie vor ihm auf dem Tresen, die Zehner und Zwanziger. Das feuchte, weiche Fleisch seines Halses quoll über seinen Kragen und seinen Single Malt Whisky schlürfte er durch einen Strohhalm. An seinem kleinen Finger blitzte ein Ring mit einem Diamanten, so groß wie eine Erdnuss. Er keuchte leise, das Keuchen großer Männer mit großem Appetit, die über die Mittel verfügen, ihn zu befriedigen, und keinen Grund sehen, es nicht zu tun. Gedankenverloren langte er in seinen Schritt und kratzte sich.
    Die Frau warf mir einen Blick zu und sah wieder weg. »Spielst du gerne, Honey?«, fragte sie. Doch sie hatte mich nicht aus den Augen gelassen, sie hatte nur den Blickwinkel verändert: Sie sprach zu meinem Konterfei im Spiegel hinter der Bar. Sie saß drei Barhocker weiter und trank etwas Mintgrünes. Ihre Duftranken – der elektrisierende Geruch von Geld und Moschus – nahmen mich gefangen.
    Das DMZ, eine dunkle, absolut schäbige Bar, gehörte einem Professor für Englisch, den man geschasst hatte. Es war ein ziemlich kleiner, eher friedlicher Laden, dennoch stand DMZ nicht für Demilitarisierte Zone, es stand für Dangling Modifier Zoo, was ich für mich mit Stilblüten-Zoo übersetzte. Hier verbrachten meine Frau und ich für gewöhnlich unsere Nachmittage, selbst als wir zwei Meilen entfernt gewohnt hatten. Jetzt kam ich allein her. Ein Blick auf die abendliche Stammkundschaft genügte, um einen Bezug zum Zoo herzustellen, aber was der Rest bedeutete, wusste keiner. Alkohol beeinflusst das Denk- und Sprachvermögen und so könnte man einige, die hier ihre Zeit verbrachten, durchaus als wandelnde Stilblüten bezeichnen. Ich vermutete, das könnte in etwa eine Erklärung sein. Überall hingen Zettel mit rätselhaften Aufschriften. Diese zum Beispiel, am Spiegel, hinter den Ginflaschen:
    In Butter getunkt,
kann man das köstliche Aroma
des Hummers so recht genießen.
    Güero Odonaju, der Besitzer, grinst häufig; der Spruch war ein Witz für Eingeweihte, ein Witz, der ein Grinsen hervorrufen sollte. Ich hatte ihn nie verstanden. Niemand hatte ihn verstanden.
    Ich liebte diese alte Bar, eine intime kleine Höhle inmitten der Stadtmauern, wo sich selbst im Winter die feuchte Wärme menschlicher Körper hielt. Der alte Holzboden gab nach und die Mörtelwände, ölig-braun durch eine Million gerauchter Zigaretten, waren voller Einschusslöcher, die aussehen wie Pockennarben. John Wesley Hardin, so die Legende, soll an dieser Stelle einen Mann erschossen haben. Die rotierenden Flügel der Deckenventilatoren bewegten sich mit einer Gemächlichkeit, dass fette Schmeißfliegen ungestört darauf schlafen konnten.
    Ich hatte meine zwei Margaritas intus und wollte eigentlich nach Hause, um Jeopardy! zu sehen. Wäre die Lady weniger knackig und ich nicht so einsam und gelangweilt gewesen, hätte ich sie ignoriert. Doch die beiden Margaritas hatten nicht ausgereicht, um mich wieder aufzubauen, also brauchte ich ein Erfolgserlebnis.
    »Wie … spielen?«, fragte ich.
    »Einfach spielen. Du weißt schon. Herumalbern. Manche Leute haben fürs Spielen gar nichts übrig, andere würden dafür sterben. Auf welcher Seite stehst du?«
    »Ich steh außerhalb des Spielplatzes«, sagte ich. Sie musterte mich mit neugierigem Blick. »Ich hab ’ne Scheidung zu verarbeiten«, erklärte ich.
    Sie drehte sich auf ihrem Barhocker in meine Richtung, wobei ihre festen Brüste den limonengrünen Stoff ihrer Bluse einer Belastungsprobe unterzogen. Die Lady war um die vierzig und wusste genau, dass sie Bilder von Dauer in die Gehirne der Männer ritzen konnte. Die mit Collagen aufgepolsterten Lippen waren zu einem Zeig’smir-Schmollmund fixiert. Ihre großen, meergrünen Augen nahmen einen in Beschlag, während die kräftigen

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