Kaputt in El Paso
Brauen darüber einen permanenten Bogen des Zweifels formten, als könne sie die nackte Wahrheit unter jeder noch so schillernden Oberfläche erkennen. Meine Nackenhaare richteten sich auf. Ich wandte mich wieder zum Tresen und setzte mein leeres Glas an die Lippen, um Zeit zu schinden.
Mein Apartmenthaus heißt The Baron Arms. Es wird aber auch schon mal The Barren Arms genannt (tote Hose, denn in Sachen Liebe passiert hier nicht allzu viel) oder The Bearing Arms (alle Bewohner besitzen Schusswaffen), die meisten kennen es als Familiengericht. In den Vierzigern und Fünfzigern war es das beste Motel am alten Highway, der zur Grenze führte, aber in den Sechzigern durch die Interstate entlastet wurde. An jeder Ausfahrt der I-10 schossen luxuriöse Motels wie Pilze aus dem Boden. Diese neuen Motels saugten die Reisenden von der Interstate und die Roadhouses entlang des alten Highways machten entweder dicht oder mussten die Preise derart senken, dass sie nur noch Gesindel und obdachlose Bargeldschnorrer anzogen. Einige wurden zu Stundenhotels. Der Besitzer des Baron Arms hatte beschlossen, das Motel in möblierte Apartments umzuwandeln. Gut ein Drittel der Bewohner sind Männer mittleren Alters, deren Frauen sich aus dem Staub gemacht haben – Männer auf dem absteigenden Ast, voller Reue, Selbstmitleid und mit Paranoia. Den Rest könnte man bestenfalls als Bürger aus gesellschaftlichen Randgruppen bezeichnen. Polizeisirenen und Blinklichter gehören zum Alltag, sind Teil der Szenerie. Ich für meinen Teil sehe ab und an fern, lese und gehe dreimal die Woche ins Y zum Training.
Ich zog hierher, nachdem Gert abgehauen war. Ich hatte einen guten Job, musste ihn aber aufgeben. Die Scheidungsvereinbarung sprach Gert dreißig Prozent meiner Einkünfte zu, und ich schuftete doch nicht ein Drittel des Tages für sie und ihren Lover, einen NAS-CAR-Fahrer namens Trey Stovekiss. Um nichts in der Welt würde ich ihre hochtourige Oktan-Romanze finanzieren. Die achttausend Dollar, die ich auf der hohen Kante hatte, würden eine Weile reichen. Danach könnte ich unter anderem Namen einen Job als Lagerarbeiter annehmen. In der Zwischenzeit managte ich das Baron Arms und musste – als Gegenleistung für kleine Handwerksarbeiten – keine Miete bezahlen. Meine Situation war also gar nicht mal so übel. Ich betrachtete mich immer noch als einen Mann mit Zukunft.
Das mit dem neuen Namen reizte mich. Abgesehen von der einen oder anderen Glückssträhne war das Leben unter meinem richtigen Namen eine einzige Pleite gewesen. Vielleicht würde ein Name, der nach Erfolg klang, meinem Leben eine Wendung geben. Ein Name wie Strobe zum Beispiel. Strobe Champion III.
Die Lady konnte Gedanken lesen. »Wie heißt du, Honey?«
Ich machte sogleich die Probe aufs Exempel. »Strobe Champion III.«, erwiderte ich.
»Klingt gut. Ich bin Mona Farnsworth. Das ist Jerry, mein Mann. Na komm schon, wie heißt du wirklich, Strobe?«
»Kannst du Gedanken lesen?«
Sie sah mich von der Seite an und zwinkerte mir zu. Dann rutschte sie von ihrem Barhocker und setzte sich neben mich. Ich spürte einen harten Nippel meinen Arm entlangfahren. Schweiß kitzelte meine Achselhöhle und ich gab auf. »Walkinghorse«, sagte ich, »Uriah Walkinghorse.«
»Ist nicht wahr!«, rief sie unter Lachen aus. Es war ein nettes Lachen, ein kleiner, explosiver Schrei. Augenblicklich fand ich mich in einem flüchtigen, erotischen Tagtraum wieder, der sich um diesen Schrei drehte, den ich provoziert hatte.
»Würde ich mir so einen Namen ausdenken?«, fragte ich.
Sie wandte sich ihrem Mann zu. »Würde er, Jerry? Würdest du dir einen Namen ausdenken wie … « Sie sah mich wieder an. »Wie war das noch mal?«
»Uriah Walkinghorse.«
»Du hast nicht mehr von einem Indianer als ich«, sagte sie.
Ich zuckte mit den Achseln. »Ich wurde von einem Pfarrer adoptiert, dessen Vorfahren Sioux waren«, erklärte ich. »Seine Frau konnte keine Kinder bekommen. Er hat uns allen biblische Namen verpasst. Meine Schwester heißt Zipporah, meine drei Brüder heißen Moses, Jesaja und Zacharias. Wir stammen alle aus dem Waisenhaus.« Die Lady lachte wieder. »Uriah, um Gottes willen. Ist das nicht auch der Name von so einem Versager bei Dickens?«
Jetzt ergriff Speck-Jerry das Wort. »Wen juckt es schon, wie er sich nennt? Namen sind Schall und Rauch. Was man macht, darauf kommt es an. Kann doch gut sein, dass irgendein Idiot von Strobe Champion sich den ganzen Tag die Eier schaukelt
Weitere Kostenlose Bücher